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Rote Spur

Rote Spur

Titel: Rote Spur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deon Meyer
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stattdessen. »Kommt |235| bei uns hier oben häufig vor.« Dann lachte er leise. »Willkommen in Chinhavira. Wie ich sehe, haben sich Chipinduka und Chenjerai schon Ihrer angenommen.« Er war an die zwei Meter groß, sein Gesicht war von tiefen Falten durchzogen. Er hatte die sechzig überschritten, war aber von beeindruckender Gestalt, kräftig und agil. Die langen grauen Haare bildeten jetzt einen Strahlenkranz. Am linken Handgelenk trug er mehrere Armbänder.
    »Bitte setzen Sie sich und trinken Sie in Ruhe etwas. Ich komme gleich zu Ihnen.«
    »Danke«, sagte Lotter.
    »Ist mir ein Vergnügen.« Er stand auf und entfernte sich gemessenen Schrittes in Richtung der Zelte. Als er außer Hörweite war, sagte Lotter leise zu mir: »Weißt du, an wen er mich erinnert?«
    Er war ein Menschenfreund, daher dachte ich an etwas Nettes. »An Nick Nolte in nüchternem Zustand?« Etwas Besseres fiel mir nicht ein.
    »Nein«, erwiderte er lachend. »An den Mandrill in
Der König der Löwen
. Der mit dem Wanderstock – wie hieß er noch? Er hat den gleichen federnden Gang … Rafiki! Er ist größer und älter, aber er erinnert mich an Rafiki.«
     
    Rafiki Ehrlichmann war der perfekte Gastgeber.
    Bei seiner Rückkehr war er geduscht und trug Wüsten-Abendkleidung: ein Hemd mit langen Ärmeln, Jeans und Lederschuhe. Die langen Haare waren im Nacken zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden und die Hemdsärmel zur Hälfte aufgerollt, so dass die Armbänder zur Geltung kamen. Sie glitzerten und glänzten im Licht von zwanzig Öllampen und dem großen Lagerfeuer. Erst versicherte er sich, dass unsere Gläser gefüllt waren, dann schenkte er sich einen Whisky Soda ein, bevor er sich zu uns gesellte. Er streckte sich behaglich auf dem Segeltuchstuhl aus und erkundigte sich höflich, wie unsere Reise verlaufen war, als wolle er mich diskret nach dem Grund unseres |236| Kommens aushorchen. Ich wollte aber lieber warten, bis er ein paar Gläser Whiskey intus hatte, ehe ich das Thema anschnitt. Deswegen ließ ich Lotter von unserem Flug und unserem Aufenthalt bei den Swanepoels berichten.
    Ehrlichmann steuerte ab und zu einen Kommentar bei, begleitet von einem weisen Nicken seines grauen Kopfes. Diederik Brand sei ein »prima Kerl«, die Swanepoels »feine Menschen« – offenbar eine weitverbreitete Meinung. Und als Lotter, der sich stets für andere interessierte, Ehrlichmann über sein Leben ausfragte, erzählte er seine Geschichte, als sei sie unwichtig und alltäglich: geboren auf einer Farm außerhalb von Gweru, Internat in Bulawayo, Bachelor of Science an der Universität von Kapstadt, Wildhüter im Matobo-Nationalpark, als Simbabwe noch Rhodesien hieß. Danach, Anfang der Achtziger, wurde er Oberaufseher im neu gegründeten Mana-Pools-Park, später stellvertretender Leiter des Chizarira Nationalparks, bis die Hexenjagd Mugabes auf die Weißen begann. Seitdem versuchte er hartnäckig, an Jagdkonzessionen zu kommen, und verdiente sein Geld als Fremdenführer. Die Schwarzen, die mit ihm zusammenarbeiteten, waren alle Ranger oder Mitarbeiter aus seiner Zeit in Chizarira.
    Beim zweiten Whiskey lenkte er das Gespräch geschickt auf Geschichten über seine Erlebnisse. Er hatte zwei feste Angewohnheiten – regelmäßig strich er sich mit der rechten Handfläche über die Locken und verzog den Mund zu einem nachdenklichen halben Lächeln, wenn er auf die Lösung des Knotens seiner Geschichte zusteuerte, als wolle er sagen: Da haben wir den Salat. Seine Geschichten handelten von Elefanten und Löwen, Krokodilen und Nilpferden, Fischadlern und Mistkäfern. Ich fragte mich, wie oft er sie schon erzählt hatte, wie viele ausländische Touristen schon hier am Lagerfeuer damit unterhalten worden waren. Doch er erzählte meisterhaft, mit einem perfekten Gespür für Dramatik und Timing, Bewunderung für die Natur und betonter Bescheidenheit, als sei er rein zufällig so ein Glückspilz.
    |237| Wir aßen Nhedzi-Suppe aus wilden Pilzen und Sadza aus
miliepap
und Warzenschweinfleisch. Dazu servierte seine stille, effektive Mannschaft grüne Bohnen und Kürbisplätzchen. Anschließend kam eine Flasche französischer Cognac auf den Tisch.
    »Wow«, sagte Lotter.
    »Wussten Sie, dass heutzutage die schwarzen Amerikaner die größten Cognactrinker sind?«, fragte Ehrlichmann.
    »Erstaunlich«, sagte Lotter.
    Ehrlichmann nickte gemessen. »Das Zeug ist in der Hip-Hop-Kultur besonders populär, manche Künstler schreiben sogar Lieder darüber. Unter

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