Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Roter Drache

Roter Drache

Titel: Roter Drache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Harris
Vom Netzwerk:
Essensresten, während in der Speisekammer das Gemüse verschimmelte. Gleichzeitig entwickelte sie einen fanatischen Sparfimmel. Bei der Wäsche nahm sie immer weniger Seife und Bleiche, so daß die Laken bald ein schäbiges Grau annahmen.
    Allein im November stellte sie hintereinander fünf schwarze Haushälterinnen ein, von denen keine bleiben wollte.
An dem Abend, als die letzte von ihnen ging, war Großmutter außer sich. Laut schimpfend stürmte sie durch das Haus. Als sie auf ihrem Weg auch in die Küche kam, sah sie, daß Queen Mother Bailey einen Teelöffel voll Mehl auf dem Walzbrett übriggelassen hatte, nachdem sie dort Teig ausgerollt hatte.
In dem Dampf und der Hitze der Küche eine halbe Stunde vor Beginn des Abendessens trat Großmutter auf Queen Mother zu und schlug ihr ins Gesicht.
Schockiert ließ Queen Mother den Kochlöffel fallen. Tränen traten ihr in die Augen. Großmutter holte ein zweites Mal zum Schlag aus. Doch eine mächtige rosa Handfläche stieß sie zurück.
»Tun Sie das nicht noch einmal; Sie sind ja völlig außer sich, Mrs. Dolarhyde. Trotzdem, tun Sie das nicht noch einmal.«
Unter heftigsten Beschimpfungen stieß Großmutter darauf mit bloßen Händen einen auf dem Feuer stehenden Suppenkessel um, so daß sein Inhalt sich zischend über den Herd ergoß und zu Boden tropfte. Darauf stürmte sie in ihr Zimmer davon und warf die Tür hinter sich zu. Francis hörte, wie sie dort lauthals fluchte und verschiedene Gegenstände gegen die Wand warf. Sie verließ ihr Zimmer den ganzen Abend nicht mehr.
Queen Mother machte in der Küche sauber und brachte den alten Leuten das Abendessen. Dann packte sie ihre wenigen Sachen in einen Korb und schlüpfte in ihre alte Jacke. Sie suchte nach Francis, konnte ihn aber nirgendwo finden.
Erst als sie bereits neben ihren Mann auf den Wagen gestiegen war, sah sie den Jungen in einer Ecke der Veranda hocken. Er rührte sich nicht von der Stelle, als sie noch einmal schwerfällig herunterkletterte und auf ihn zukam.
»Possum, ich gehe jetzt. Und ich werde nicht mehr zurückkommen. Sironia im Lebensmittelladen wird deine Mama anrufen. Wenn du mich brauchst, bevor deine Mama dich holen kommt, dann lauf einfach zu mir nach Hause.«
Er entzog sich ihrer Berührung, als sie seine Wange streicheln wollte.
Mr. Bailey schnalzte den Maultieren mit der Zunge zu. Francis beobachtete, wie die Laterne am Wagen sich entfernte. Das hatte er auch zuvor oft mit einem traurigen, verlassenen Gefühl getan, seit er wußte, daß Queen Mother ihn verraten hatte. Aber inzwischen war es ihm egal. Er war sogar froh. Eine schwache Petroleumlampe an einem Maultiergespann, die im Dunkel langsam kleiner wurde, bis sie endgültig verschwand. Was war das schon im Vergleich mit dem Mond.
Er fragte sich, wie es wohl gewesen wäre, ein Maultier zu töten.
    Marian Dolarhyde Vogt kam nicht, als Queen Mother Bailey sie anrief.
    Sie kam erst zwei Wochen später nach einem Anruf des Sheriffs von St. Charles. Sie traf nachmittags in einem Vorkriegs-Packard ein, an dessen Steuer sie selbst saß. Sie trug Handschuhe und einen Hut. Am Ende der Zufahrt erwartete sie bereits ein Hilfssheriff, der sich durch das offene Fenster beugte.
    »Mrs. Vogt, Ihre Mutter hat heute mittag in unserem Büro angerufen, um sich über eine Küchenhilfe zu beschweren, die gestohlen hätte. Als ich dann zu ihr rausfuhr, hat sie nur - entschuldigen Sie - wirres Zeug geredet, und das ganze Haus machte einen äußerst verwahrlosten Eindruck. Der Sheriff hielt es für das beste, erst Sie zu verständigen, wenn Sie verstehen, was ich meine. Wegen Mr. Vogts Stellung und so.«
    Marian verstand sehr wohl. Mr. Vogt war inzwischen in St. Louis Beauftragter für den Öffentlichen Dienst und bei seinen Parteifreunden etwas in Ungnade gefallen.
    »Meines Wissens hat sonst niemand einen Blick in das Haus geworfen«, fuhr der Hilfssheriff fort.
Marian fand ihre Mutter schlafend vor. Zwei der alten Leute saßen noch immer am Eßtisch und warteten auf das Mittagessen. Eine Frau trieb sich in Unterwäsche auf dem Hinterhof herum.
Marian rief als erstes ihren Mann an. »Wie oft werden solche Heime inspiziert?... Sie können noch nichts gemerkt haben ... Ich weiß nicht, ob sich schon Verwandte beschwert haben; aber ich nehme fast an, daß diese Leute keine Verwandten mehr haben... Nein. Halte du dich da raus. Ich brauche ein paar Neger. Beschaff mir ein paar Neger... und Dr. Waters. Alles weitere erledige ich.«
Zusammen mit einem

Weitere Kostenlose Bücher