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Roter Drache

Roter Drache

Titel: Roter Drache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Harris
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Abteilung für Verhaltensforschung befaßt sich noch mit dem Inhalt des Gesagten. Dr. Bloom sollte sich das Band auf jeden Fall anhören, sobald dies sein Gesundheitszustand zuläßt, wobei wir diese Entscheidung Ihnen überlassen wollen.
    Ganz eindeutig will Ihnen der Mörder Angst einjagen. Allerdings wird er das meiner Ansicht nach einmal zu oft versuchen.
Ein sprödes Bekenntnis zur Zuversicht, das Graham jedoch dankbar zur Kenntnis nahm.
Ihm war klar, daß er das Band anhören mußte. Er wartete, bis Chester gegangen war.
Doch wollte er sich nicht damit in dem Geschworenenzimmer eingeschlossen fühlen. Der leere Gerichtssaal schien ihm dafür besser geeignet; hier fiel zumindest etwas Sonnenlicht durch die hohen Fenster. Kurz vorher waren hier die Putzfrauen gewesen, und in der von Sonnenstrahlen durchzogenen Luft schwebten noch flimmernde Staubteilchen.
Das Tonbandgerät war klein und grau. Graham stellte es auf einen Tisch und drückte auf den Wiedergabeknopf.
Die monotone Stimme eines Technikers: »Fallnummer 426238, Beweisstück 814, gekennzeichnet und registriert, eine Tonbandkassette. Hierbei handelt es sich um eine Überspielung.«
Eine plötzliche Veränderung der Klangqualität.
Graham stützte sich mit beiden Händen auf das Geländer vor der Geschworenenbank.
Freddy Lounds klang erschöpft und verängstigt.
»Ich gelange in den Genuß eines großen Privilegs. Ich habe gesehen... ich habe voller Erstaunen... voller Erstaunen und Ehrfurcht... Ehrfurcht... die Kraft des großen, roten Drachen gesehen.« Die ursprüngliche Bandaufnahme war während des Aufnahmeprozesses offensichtlich häufig unterbrochen worden. Das Abspielgerät gab jedes leise Klicken der Stoptaste wieder. Graham sah den Finger auf der Taste vor sich. Einen Drachenfinger.
»Ich habe nur Lügen über Ihn verbreitet. Alles, was ich geschrieben habe, waren nur die Lügen Will Grahams. Er zwang mich, sie zu schreiben. Ich habe... ich habe mich blasphemisch und lügnerisch über den Drachen geäußert. Dennoch ... hat sich der Drache gnädig gezeigt. Deshalb will ich ihm jetzt dienen. Er... hat mir geholfen... Seine Größe zu begreifen, und deshalb werde ich Ihn preisen. An die Presse: Wenn Sie dies abdrucken, schreiben Sie ›Er‹ und ›Ihn‹ auf jeden Fall groß.
Er weiß, daß Sie mich dazu gebracht haben, diese Lügen zu verbreiten, Will Graham. Weil ich gezwungen wurde zu lügen, wird Er mit mir... gnädiger verfahren als mit Ihnen, Will Graham.
Fassen Sie an Ihren Rücken, Will Graham... und befühlen Sie die kleinen... Vorsprünge über Ihrem Becken. Tasten Sie dazwischen nach Ihrer Wirbelsäule... denn das ist genau die Stelle... an der Ihnen der Drache das Rückgrat brechen wird.«
Graham nahm seine Hände nicht von dem Geländer. Wäre ja noch schöner, wenn er dieser Aufforderung nachkäme und seinen Rücken abtastete. Kannte der Drache den korrekten Terminus für die Lendenwirbelsäule wirklich nicht, oder griff er ganz bewußt nicht darauf zurück?
»Sie haben... viel zu befürchten. Von... von meinen eigenen Lippen werden Sie noch etwas mehr erfahren, was Sie zu fürchten haben.«
Kurzes Schweigen, bevor ein gräßlicher Schrei ertönte. Doch schlimmer noch war der blubbernde, lippenlose Ausruf, der darauf folgte: »Verdanntes Hwein, Sie haden’s mir verstrochen.«
Graham klemmte so lange seinen Kopf zwischen seine Knie, bis die flimmernden Lichtpunkte vor seinen Augen aufhörten herumzutanzen. Er öffnete den Mund und atmete tief durch.
Bis er imstande war, sich das Band ein zweites Mal anzuhören, verstrich eine geschlagene Stunde. Er nahm das Tonbandgerät mit in das Geschworenenzimmer und versuchte sich die Aufnahme dort anzuhören. Zu nahe. Er ließ das Tonbandgerät weiterlaufen und ging in den Gerichtssaal zurück. Er konnte Lounds’ Stimme durch die offene Tür hören. »Ich gelange in den Genuß eines großen Privilegs...« Graham bemerkte jemand in der offenen Tür des Gerichtssaals. Es war der junge Bote vom Chicagoer FBI-Büro. Graham winkte ihn herein.
»Ein Brief für Sie«, erklärte der Mann. »Mr. Chester hat mir aufgetragen, ihn Ihnen zu bringen. Er hat mir gesagt, Sie ausdrücklich darauf hinzuweisen, daß er vom Leiter der Posteingangsstelle fluoroskopiert worden ist.«
Der Mann zog den Brief aus seiner Brusttasche. Ein dunkelvioletter Umschlag. Graham hoffte, er möge von Molly sein.
»Er ist abgestempelt, sehen Sie?«
»Danke.«
»Außerdem ist heute Zahltag.« Der Bote händigte Graham einen Scheck

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