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Roter Drache

Roter Drache

Titel: Roter Drache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Harris
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Obergeschoß. Er wollte nicht nach oben gehen. Aber er mußte nachsehen. Seine Tätowierung geriet in Bewegung, als er die Treppe hinaufstieg.
    Der Drache funkelte ihm von dem Bild in seinem Schlafzimmer entgegen. Er konnte nicht mit dem Drachen in dem
    Zimmer bleiben.
Schließlich entdeckte er sie von einem der Fenster im Ober
geschoß im Garten.
»FRANCIS.« Er wußte, daß die Stimme aus seinem Zimmer
kam. Er wußte, daß es die Stimme des Drachen war. Diese neuartige Zweisamkeit mit dem Drachen verwirrte ihn. Er hatte sie
zum erstenmal gespürt, als er seine Hand auf Rebas Herz gelegt
hatte.
Bis dahin hatte der Drache noch nie zu ihm gesprochen. Es
war beängstigend.
»FRANCIS, KOMM HIERHER.«
Er versuchte seine Ohren vor der nach ihm rufenden Stimme zu verschließen, die auch noch nach ihm rief, als er die Treppe
hinuntereilte.
Was konnte sie entdeckt haben? In dem Glas auf dem Nachttisch hatte Großmutters Gebiß geklappert; aber er hatte es
entfernt, als er ihr Wasser gebracht hatte. Und sehen konnte sie
nichts.
Freddys Band. Es befand sich im Kassettenrecorder im Salon.
Er sah nach. Die Kassette war an den Anfang zurückgespult. Er
konnte sich nicht mehr erinnern, ob er sie zurückgespult hatte,
nachdem er sie übers Telefon dem Tattler vorgespielt hatte. Sie durfte nicht ins Haus zurückkommen. Er wußte nicht,
was im Haus noch passieren würde.
Möglicherweise würde sie eine böse Überraschung erleben.
Vielleicht kam der Drache nach unten. Ihm war nur zu deutlich
bewußt, wie leicht sie sich zerfetzen lassen würde. Die Frauen hatten sie zusammen in seinem Kombi gesehen.
Warfield würde sich an sie beide erinnern. Hastig zog er sich an.
    Reba McClane spürte die kühle Schranke des Schattens eines Baumstamms und dann wieder die wärmende Sonne, als sie weiter durch den Garten schritt. Aufgrund der Sonnenhitze und des Summens der Klimaanlage im Fenster wußte sie immer, wo sie sich befand. Die Orientierung, die in ihrem Leben eine entscheidende Rolle spielte, fiel ihr hier ganz leicht. Sie drehte und wendete sich und streifte mit den Händen über Büsche und hoch aufgeschossene Blumen.
    Als eine Wolke sich vor die Sonne schob, blieb sie stehen, da sie plötzlich nicht mehr feststellen konnte, in welche Richtung sie gewandt war. Sie horchte auf das Geräusch der Klimaanlage. Sie war ausgeschaltet. Nach einem Moment des Unbehagens klatschte sie in die Hände und hörte gleich darauf das tröstliche Echo vom Haus zurückhallen. Reba ließ ihr Uhrglas hochschnappen und tastete den Zeigerstand ab. Sie würde D. bald wecken müssen, damit er sie nach Hause brachte.
    Sie hörte die Fliegengittertür zuschlagen.
»Guten Morgen«, sagte sie.
Schlüsselklimpernd kam er über den Rasen auf sie zu. Er näherte sich ihr ganz behutsam, als vermöchte allein der
    Luftzug seines Nahens sie zu Boden zu reißen. Doch er sah, daß sie keine Angst vor ihm hatte.
    Sie schien weder beschämt noch verlegen über das, was sie in der Nacht getan hatten. Und sie schien auch nicht wütend. Sie rannte nicht vor ihm davon noch überschüttete sie ihn mit Beschimpfungen. Er fragte sich, ob der Grund hierfür war, daß sie sein Geschlechtsteil nicht gesehen hatte.
    Reba schlang die Arme um ihn und drückte ihre Wange an seinen mächtigen Brustkorb. Sein Herz schlug sehr rasch.
Er schaffte es, ihr einen guten Morgen zu wünschen.
»Es war einfach wundervoll, D.«
Tatsächlich? Was erwiderte man darauf am besten?
»Prima. Ich fand es auch schön.« Das schien zumindest ganz in Ordnung. Aber er mußte jetzt zusehen, daß er sie los wurde.
»Leider muß ich langsam nach Hause«, erklärte sie. »Meine Schwester holt mich zum Mittagessen ab. Wenn du willst, kannst du auch mitkommen.«
»Ich muß in den Betrieb«, wandelte er die Ausrede, die er sich zurechtgelegt hatte, etwas ab.
»Ich hole nur noch schnell meine Handtasche.«
Kommt nicht in Frage. »Das kann ich doch machen.«
Fast blind für seine wahren Gefühle und noch weniger imstande, sie auszudrücken, als eine Narbe zu erröten vermochte, hatte Dolarhyde keine Ahnung, was ihm mit Reba McClane passiert war - oder warum. Er war durcheinander, von dem neuartigen Angstgefühl gepeinigt, in zwei Teile gespalten zu sein.
Sie bedrohte ihn, und doch bedrohte sie ihn wiederum auch nicht.
Da waren zum Beispiel ihre erregend lebendigen Bewegungen der Hingabe in Großmutters Bett gewesen. In vielen Fällen war Dolarhyde sich erst im klaren, was er fühlte, wenn er zur Tat schritt. Was er Reba

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