Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Roter Drache

Roter Drache

Titel: Roter Drache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Harris
Vom Netzwerk:
typische FBI-Agent aus. Springfield fand, daß er eher den Anschein eines Anstreichers erweckte, der für eine Zeugenaussage vor Gericht in seinen besten Anzug geschlüpft war.
Die Beamten rutschten unruhig auf ihren Stühlen herum.
Als Graham vor sie trat, stachen seine stahlblauen Augen auffällig aus seinem braunen Gesicht hervor. »Nur ganz kurz ein paar Dinge«, begann er. »Wir können nicht davon ausgehen, daß er bereits in psychiatrischer Behandlung war oder wegen eines Sexualdelikts vorbestraft ist. Im Gegenteil, die Wahrscheinlichkeit ist sehr hoch, daß er über keinerlei Vorstrafen verfügt. Sollte dem dennoch so sein, dann eher wegen Einbruchs als wegen eines Sexualdelikts.
Möglicherweise könnte er auf ein ganzes Register von Bißverletzungen im Zusammenhang mit leichten Körperverletzungen zurückblicken - Schlägereien oder Kindesmißhandlungen. In dieser Hinsicht könnten uns am ehesten Notaufnahmen von Krankenhäusern oder das Jugendamt weiterhelfen.
Jeder schlimme Biß, an den sich jemand aus diesem Personenkreis erinnern kann, wäre es möglicherweise wert, weiter überprüft zu werden, wobei unerheblich ist, wer gebissen wurde oder unter welchen Umständen es zu der Bißverletzung kam. Das wäre vorläufig alles.«
Der große Kriminalbeamte in der vordersten Reihe hob die Hand und begann auch schon im selben Atemzug zu sprechen.
»Aber bisher hat er doch nur Frauen gebissen, oder?«
»Zumindest, soweit wir wissen. Allerdings beißt er ordentlich zu. Sechs starke Bisse im Fall von Mrs. Leeds, acht bei Mrs. Jacobi. Das liegt weit über dem Durchschnitt.«
»Bei wie vielen Bissen liegt der Durchschnitt?«
»Bei einem Sexualmord bei etwa drei. Er beißt also gern zu.«
»Bei Frauen.«
»Bei den meisten Sexualdelikten weisen die Bißspuren einen dunkel verfärbten Fleck in der Mitte auf, der von heftigem Saugen herrührt. In diesem Fall fehlen jedoch die Saugspuren. Darauf hat Dr. Princi bereits in seinem Obduktionsbefund hingewiesen, und ich konnte mich im Leichenschauhaus auch selbst davon überzeugen. Keine Saugspuren. In seinem Fall könnten die Bisse also sowohl Ausdruck eines bestimmten Kampf-Verhaltens sein wie eine sexuelle Eigenart.«
»Ziemlich fadenscheinig«, brummte der Beamte.
»Trotzdem wäre es eine Überprüfung wert«, beharrte Graham. »Jeder Biß wäre eine gründliche Überprüfung wert. In vielen Fällen machen die Betroffenen außerdem falsche Aussagen. Die Eltern eines gebissenen Kindes behaupten oft, es wäre ein Tier gewesen und lassen das Kind gegen Tollwut impfen, um damit den Ausrutscher eines Familienmitglieds zu vertuschen - aber das kennen Sie ja alle selbst zur Genüge. Jedenfalls könnte es sich durchaus lohnen, in den Krankenhäusern nachzufragen, wer gegen Tollwut geimpft wurde. Das wäre alles.« Grahams Oberschenkelmuskulatur durchlief ein leises Zittern der Erschöpfung, als er wieder Platz nahm.
»Die Sache ist eine Überprüfung wert«, erklärte Springfield. »Wir werden dem unverzüglich nachgehen. Die Leute von der Einbruchsabteilung nehmen sich weiterhin die Nachbarschaft vor. Sie versuchen in Erfahrung zu bringen, ob ein Fremder mit dem Hund der Leeds’ gesehen worden ist. Die Jungs von der Sitte und der Drogenfahndung nehmen sich nach Dienstschluß die einschlägigen Bars vor. Marcus und Whitman - Augen auf beim Begräbnis. Haben Sie schon Fotos von Verwandten und Bekannten, anhand deren Sie die Betreffenden bei der Trauerfeier identifizieren können? Gut. Wie steht es mit dem Fotografen? Alles klar. Leiten Sie die Teilnehmerliste der Trauerfeier an R & I weiter. Die aus Birmingham liegt ihnen bereits vor. Die restlichen Aufgabenbereiche finden Sie am Schwarzen Brett. Und jetzt an die Arbeit.«
»Noch etwas«, schaltete sich Kommissar Lewis ein. Die Beamten sanken wieder auf ihre Stühle zurück. »Mir ist zu Ohren gekommen, daß der Mörder von Beamten dieser Dienststelle als ›Zahnschwuchtel‹ bezeichnet wird. Mir persönlich ist es gleichgültig, wie Sie ihn unter sich nennen, zumal mir durchaus bewußt ist, daß Sie ihn ja irgendwie nennen müssen. Allerdings möchte ich lieber nicht hören, daß einer von Ihnen ihn in der Öffentlichkeit als Zahnschwuchtel bezeichnet. Ebensowenig möchte ich, daß Sie diese Bezeichnung im internen Schriftverkehr gebrauchen.
Das wäre alles.«
    Crawford und Graham folgten Springfield in sein Büro. Der Leiter der Mordkommission versorgte sie mit Kaffee, während Crawford mit der Telefonzentrale sprach und sich

Weitere Kostenlose Bücher