Roter Drache
über ihn veröffentlichen, dann nur posthum.«
»Meinen Sie damit, nach Ihrem Tod oder nach dem Grahams?«
Dr. Bloom gab keine Antwort.
»Eines ist mir aufgefallen, was ich Sie schon länger mal fragen wollte: Sie halten sich doch nie mit Graham allein in einem Raum auf. Sie stellen das zwar immer sehr geschickt an, so daß es eigentlich gar nicht auffällt, aber trotzdem vermeiden Sie es, ihm unter vier Augen zu begegnen. Was ist der Grund dafür? Halten Sie ihn für medial veranlagt?«
»Nein. Er ist ein Eidetiker, das heißt, er hat ein außergewöhnliches visuelles Gedächtnis. Aber ich halte ihn nicht für ein Medium. Er wollte sich ja auch nicht von Duke testen lassen wobei das freilich nichts zu besagen hat. Er läßt sich nicht gern herumkommandieren. Aber das trifft auf mich genauso zu.«
»Aber -«
»Will möchte diese Angelegenheit als eine rein intellektuelle Übung betrachten, was es im Rahmen einer etwas abstrakten forensischen Definition ja auch ist. Und er ist nun einmal sehr gut darin, obwohl ich glaube, daß es sicher auch andere Männer gibt, die ebenso gut sind wie er.«
»Aber nicht viele«, warf Crawford ein.
»Darüber hinaus verfügt er über die Gabe hochgradigen Einfühlungvermögens«, fuhr Dr. Bloom fort. »Er kann problemlos ihren oder meinen Standpunkt einnehmen - und darüber hinaus auch noch eine ganze Reihe anderer Standpunkte, die ihn jedoch mit ziemlicher Abscheu und Besorgnis erfüllen dürften. Das ist eine Gabe, Jack, mit der es sich weiß Gott nicht sehr gut leben läßt. Jedenfalls handelt es sich bei dieser Art von Begabung um eine höchst zweischneidige Angelegenheit.«
»Warum vermeiden Sie es, allein mit ihm zu sein?«
»Weil ich durchaus ein berufliches Interesse an ihm habe, dessen er sich jedoch sehr rasch bewußt würde. Er läßt sich wirklich nicht sehr leicht täuschen.«
»Vermutlich würde er doch nur die Rolläden runterlassen, wenn er Sie beim Spionieren ertappen würde.«
»Nicht gerade eine sehr erfreuliche Analogie, aber dennoch durchaus zutreffend. Finden Sie nicht, daß Sie es mir inzwischen genügend heimgezahlt haben, Jack, damit wir nun endlich zur Sache kommen können? Machen wir’s kurz. Ich fühle mich nicht sehr gut.«
»Etwa eine psychosomatische Reaktion«, stichelte Crawford weiter.
»Wenn Sie’s genau wissen wollen, Jack; es ist meine Gallenblase. Also, was wollen Sie?«
»Ich habe ein Medium, über das ich mit der Zahnschwuchtel sprechen kann.«
»Sie meinen den Tattler?«
»Ja. Halten Sie es für möglich, ihn auf eine selbstzerstörerische Bahn zu lenken, indem wir in einer bestimmten Richtung auf ihn einwirken?«
»Sie meinen, ihn zum Selbstmord drängen?«
»Zum Beispiel.«
»Das bezweifle ich. Bei gewissen psychischen Störungen wäre so etwas unter Umständen möglich, aber in diesem Fall möchte ich das bezweifeln. Wenn dieser Mann selbstzerstörerische Tendenzen aufwiese, ginge er nicht so extrem vorsichtig vor. Er wäre dann nicht so sehr darum bemüht, nicht entdeckt zu werden. Handelte es sich bei ihm um einen Fall von klassischer Schizophrenie, könnte man ihn sicher dahingehend beeinflussen, daß er sich schließlich selbst verraten und entlarven würde. Man könnte ihn unter Umständen auch dazu bringen, sich selbst etwas anzutun, wobei ich Ihnen dabei allerdings nicht behilflich wäre.« Selbstmord war Blooms Todfeind.
»Das kann ich mir gut denken«, nickte Crawford. »Könnten wir ihn irgendwie in Rage bringen?«
»Weshalb wollen Sie das wissen? Und zu welchem Zweck?«
»Lassen Sie es mich doch mal so ausdrücken: Könnten wir ihn irgendwie in Rage bringen und seine Wut auf ein ganz bestimmtes Ziel lenken?«
»Sie wissen doch sehr gut, daß er längst auf Graham als seinen Gegenspieler fixiert ist. Machen Sie mir also nichts vor. Sie haben demnach bereits beschlossen, Graham als Lockvogel zu benutzen, ist es nicht so?«
»Ich glaube, mir bleibt gar keine andere Wahl. Entweder das, oder es gibt am fünfundzwanzigsten wieder ein schreckliches Massaker. Sie müssen mir helfen.«
»Ich bin mir nicht ganz sicher, ob Sie sich eigentlich bewußt sind, was Sie da verlangen.«
»Ich will Ihren Rat - nicht mehr und nicht weniger.«
»Ich meinte damit nicht von mir«, korrigierte ihn Bloom. »Sondern was Sie von Graham verlangen. Mißverstehen Sie mich bitte nicht - und normalerweise würde ich so etwas auch nie sagen -, aber Sie sollten sich zumindest über folgendes im klaren sein: Was halten Sie für einen von Wills stärksten
Weitere Kostenlose Bücher