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Roter Drache

Roter Drache

Titel: Roter Drache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Harris
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Zeitungskioske ein Taschenbuch aufliegen, in dem der Fall bis ins kleinste Detail aufgerollt wurde. Und dazu kam natürlich noch der exklusive Sensationsbericht in der Tagespresse. Es würde ihm große Genugtuung bereiten zu sehen, wie die seriösen Blätter - die Chicago Tribune, die Los Angeles Times, die geheiligte Washington Post und die über allem stehende New York Times - in ihren Reportagen über den Fall auf seine Berichte mitsamt seinem groß herausgestellten Namen und Foto - würden zurückgreifen müssen.
    Und dann konnten die Korrespondenten der großen Wochenzeitschriften, die auf ihn herabsahen und sich nicht dazu herablassen wollten, einen mit ihm zu trinken, hinter ihm herhecheln, ob er vielleicht auch für sie ein paar Brocken abfallen ließ.
    In ihren Augen war Lounds ein Paria, da er einem anderen Glauben anhing. Wäre er einfach unfähig gewesen, ein Trittbrettfahrer ohne andere Möglichkeiten, hätten ihm die altgedienten Hasen von der seriösen Presse vielleicht verzeihen können, daß er für den Tattler arbeitete, wie man eben auch einem debilen Dorftrottel einiges durchgehen ließ. Aber Lounds war gut. Er hatte alle Eigenschaften eines guten Reporters - Intelligenz, Courage und einen guten Blick. Außerdem verfügte er über erhebliche Energien und unerschöpfliche Geduld.
    Gegen ihn sprach die Tatsache, daß er ein nicht gerade sehr angenehmer Zeitgenosse war, der ständig und überall auf ungute Weise aneckte und zudem nicht in der Lage schien, seine Person aus seinen Stories herauszuhalten.
    Lounds war von dem unstillbaren Verlangen erfüllt, Anerkennung zu finden, was häufig fälschlicherweise als Egozentrik bezeichnet wird.
    Lounds war ein häßliches, kleines Kerlchen mit schiefen Zähnen und Rattenaugen. Nachdem er sich zehn Jahre mit seriösem Journalismus Erfahrung erworben und seine Sporen verdient hatte, war ihm klar geworden, daß er nie ins Weiße Haus geschickt werden würde. Ihm wurde bewußt, daß seine Vorgesetzten ihn aussaugen würden, bis er sich nur noch mit immer mehr Alkohol über Wasser halten könnte und bestenfalls dazu taugen würde, irgendeinen Sackgassenschreibtisch zu besetzen, bevor ihm eine Leberzirrhose oder ein Schlafzimmerbrand endgültig den Garaus machten.
    Alle wollten sie die Informationen, die er zu beschaffen verstand, aber niemand wollte Freddy. Sie zahlten ihm Spitzengehälter, die jedoch trotzdem nicht sehr hoch waren, wenn man sich damit Frauen kaufen mußte. Sie klopften ihm die Schultern und versicherten ihm, er hätte wirklich Courage, aber gleichzeitig weigerten sie sich, ihm auf seinen Namen einen Parkplatz vor der Redaktion zu reservieren. Eines Abends im Jahr 1969, als er gerade in der Redaktion einen Artikel für die Veröffentlichung überarbeitete, hatte Freddy eine Art Damaskuserlebnis.
    Neben ihm saß Fred Larkin und nahm übers Telefon einen Bericht eines Kollegen entgegen. Das waren die Aufgaben, mit denen sich bei der Zeitung, für die Freddy arbeitete, die alten ausgedienten Hasen ihr Gnadenbrot verdienen mußten. Fred Larkin war fünfundfünfzig, aber er sah aus wie siebzig. Er hatte Austernaugen und ging jede halbe Stunde an seinen Spind, um sich einen kräftigen Schluck zu genehmigen. Freddy konnte seine Fahne bis zu der Stelle riechen, wo er saß.
    Larkin stand auf und schlurfte auf die Tür zum Büro der Nachrichtenredakteurin zu, um sie in heiserem Flüsterton um einen Gefallen zu bitten. Freddy hörte gewohnheitsmäßig anderer Leute Gespräche mit.
    Larkin ersuchte die Frau, ihm aus dem Automaten in der Damentoilette eine Monatsbinde zu besorgen, die er für seinen blutenden Hintern brauchte.
    Freddy hörte zu tippen auf. Er nahm den Artikel aus der Maschine, spannte ein frisches Blatt ein und schrieb seine Kündigung.
    Eine Woche später arbeitete er für den Tattler.
    Er begann dort als Krebsredakteur mit einem Gehalt, das etwa doppelt so hoch war wie sein voriges. Der Chefredakteur und der Herausgeber waren von seinem Engagement sichtlich beeindruckt.
    Beim Tattler konnte man es sich leisten, Freddy ein gutes Gehalt zu zahlen, da sich Krebs für das Blatt als eine höchst lukrative Angelegenheit erwies.
    Einer von fünf Amerikanern stirbt daran. Die Angehörigen der Sterbenden, nach endlosem Hoffen und Beten nach jedem sich bietenden Strohhalm greifend, gierten geradezu nach neuen Erfolgsmeldungen in der Krebsbekämpfung, handelte es sich dabei um Handauflegen, kalte Wickel oder Bananenpudding. Marktanalysen ergaben,

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