Roter Drache
Antrieben?«
Crawford schüttelte den Kopf.
»Die Angst, Jack. Dieser Mann hat mit einem enormen Angstpotential zu kämpfen.«
»Weil er damals so schwer verwundet wurde?«
»Nein, nicht nur deswegen. Mit einer stark ausgeprägten Vorstellungskraft ist unweigerlich auch große Angst verbunden; das ist der Preis - oder sollte ich besser sagen: die Strafe - für diese Gabe.«
Crawford starrte auf seine grobschlächtigen Hände hinab, die er über seinem Bauch verschränkt hatte, und errötete. Es war ihm peinlich, darüber zu sprechen. »Natürlich, es ist genau das, worüber man kein Wort verliert, weil man ja zu den großen, überlegenen Mackern gehören will, denen nichts so leicht etwas anhaben kann. Aber Sie brauchen sich keine Sorgen zu machen, mir zu erzählen, daß er Angst hat. Ich gelange deshalb keineswegs zu der Überzeugung, daß er seiner Aufgabe deshalb nicht gewachsen wäre. So blöd bin ich beileibe nicht, Doktor.«
»Das habe ich auch nie gedacht, Jack.«
»Ich würde ihn auch keinesfalls in dem Maße exponieren, wenn ich nicht überzeugt wäre, ihm den bestmöglichen Schutz zukommen lassen zu können. Also gut, wenn ich das Ganze nicht mindestens achtzig Prozent abgesichert glaubte. Und Will ist ja auch nicht gerade ohne. Nicht unbedingt der Beste, aber trotzdem verdammt schnell. Würden Sie uns helfen, die Zahnschwuchtel aus ihrem Versteck hervorzulocken, Doktor? Immerhin hat er bereits eine Menge Unschuldige auf dem Gewissen.«
»Nur, wenn Graham sich über das volle Ausmaß der Risiken bewußt ist, die er damit eingeht, und sie dann freiwillig auf sich nimmt. Und ich möchte seine Zustimmung aus seinem eigenen Mund hören.«
»In dieser Hinsicht halte ich es wie Sie, Doktor. Ich mache Will nie etwas vor.«
Crawford fand Graham in dem kleinen Arbeitsraum neben Zellers Labor, das er für sich angefordert hatte, um dort die Fotos und die privaten Dokumente der Opfer unterzubringen.
Crawford wartete, bis Graham das Bulletin für Exekutivorgane, das er bei seinem Eintreten studiert hatte, beiseite legte.
»Ich wollte dir nur sagen, was wir für den fünfundzwanzigsten zu erwarten haben.« Er hätte Graham nicht extra darauf aufmerksam machen müssen, daß der nächste Vollmond auf den fünfundzwanzigsten fiel.
»Wenn er neuerlich zuschlagen wird?«
»Ja, falls wir am fünfundzwanzigsten in Schwierigkeiten kommen.«
»Nicht falls - wenn.«
»Bisher hat er beide Male an einem Samstagabend zugeschlagen. In Birmingham am achtundzwanzigsten Juni; der Vollmond fiel damals genau auf diesen Tag. In Atlanta hat er bereits einen Abend vor Vollmond am sechsundzwanzigsten Juli zugeschlagen, ebenfalls einem Samstagabend. Diesen Monat fällt der Vollmond auf einen Montag, den fünfundzwanzigsten August. Da er offensichtlich eine ausgesprochene Vorliebe fürs Wochenenende hat, halten wir uns also schon von Freitag an bereit.«
»Bereit? Wir sollen bereit sein?«
»Ganz richtig. Du weißt doch, wie es in den Lehrbüchern steht - die ideale Methode, in einem Mordfall zu ermitteln.«
»Nur sieht so etwas in der Praxis normalerweise etwas anders aus«, entgegnete Graham. »Oder kannst du mir vielleicht einen Fall nennen, in dem sich diese wunderschöne Theorie auch nur annähernd in die Praxis hätte umsetzen lassen?«
»Eigentlich nicht. Du hast selbstverständlich recht. Trotzdem wäre es großartig, mal auf diese Weise vorgehen zu können: Man schickt nur einen Mann rein - einen einzigen. Damit er sich den Tatort in Ruhe ansehen kann. Er steht über Funk mit der Zentrale in Verbindung und gibt einfach alle seine spontanen Eindrücke durch. Er hat den Tatort ganz für sich allein, und das, solange er will. Nur dieser eine Mann... nur du.«
Eine lange Pause.
»Worauf willst du hinaus;«
»Ab Freitagabend, dem zweiundzwanzigsten, steht für uns auf dem Luftwaffenstützpunkt Andrews eine Grumman Gulfstream bereit. Ich habe mir die Maschine von der Abteilung für Inneres ausgeliehen. Sie wird mit einem leistungsfähigen Labor bestückt sein. Und wir stehen ständig in Bereitschaft - ich, du, Zeller, Jimmy Price, ein Fotograf und zwei Leute, die die Verhöre übernehmen. Sobald der Anruf reinkommt, können wir starten. Ganz gleich, wo er diesmal im Südosten zuschlägt, wir sind spätestens in einer Stunde und fünfzehn Minuten an Ort und Stelle.«
»Und was ist mit der lokalen Polizei? Die lassen sich auf so was bestimmt nicht ein. Die würden doch nie so lange warten.«
»Wir lassen Rundschreiben an alle
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