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Roter Drache

Roter Drache

Titel: Roter Drache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Harris
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der Tür verschränkte der Arzt seine Hände hinter seinem Rücken und stelzte davon wie ein Reiher.
Crawford warf Graham einen kurzen Blick zu. »Alles in Ordnung?«
»Natürlich. Schließlich mache ich so was nicht zum erstenmal.«
    Lounds’ Kopf war hochgestellt. Von seinem Haar und seinen Ohren war nichts mehr zu sehen, und anstatt der verbrannten Lider waren über seinen blicklosen Augen Kompressen angebracht. Sein Zahnfleisch war von heftig aufgequollenen Blasen übersät.
    Die Schwester neben ihm schob ein Gestell mit einem Tropf beiseite, damit Graham näher heranrücken konnte. Lounds roch wie ein Stallbrand.
    »Freddy, ich bin’s, Will Graham.«
Lounds wölbte seinen Hals vor.
»Das war eine reine Reflexbewegung«, erklärte die Schwester
    dazu. »Er ist bewußtlos.«
Der Luftschlauch, der seine versengte und angeschwollene
Luftröhre offen hielt, zischte leise im Takt der künstlichen Beatmung.
In einer Ecke des Raums saß ein fahler Detektiv mit einem
Tonbandgerät und einem Notizblock in seinem Schoß. Graham
wurde sich seiner Anwesenheit erst bewußt, als er zu sprechen
begann.
»Lounds hat Ihren Namen genannt, bevor sie ihm in der
Notaufnahme diesen Luftschlauch reingesteckt haben.« »Waren Sie dabei?«
»Ich kam erst später dazu. Aber ich habe hier auf Band, was
er gesagt hat. Er hat den Feuerwehrleuten, die ihm als erste zu
Hilfe gekommen sind, eine Autonummer genannt. Dann hat er
das Bewußtsein verloren. Während des Transports hierher war
er ständig weg. In der Notaufnahme ist er allerdings wieder für
etwa eine Minute zu sich gekommen, nachdem sie ihm eine
Spritze in die Brust gegeben haben. Ein paar Reporter vom Tattler
sind dem Krankenwagen hierher gefolgt. Sie waren dabei. Ich
habe eine Kopie ihrer Bandaufnahme.«
»Lassen Sie mal hören.«
Der Detektiv machte sich kurz an seinem Tonbandgerät zu
schaffen. »Hören Sie es sich lieber über Kopfhörer an«, riet er
Graham dann, sorgsam jeden Ausdruck aus seiner Miene verbannend. Er drückte auf den Startknopf.
Graham hörte Stimmen, das Geräusch von Rollen. »... stellen Sie ihn hierher.« Das Schlagen einer Bahre gegen eine
Schwingtür, ein würgendes Husten und schließlich eine krächzende, ohne Lippen artikulierende Stimme.
»Zahnwuchtel.«
»Freddy, haben Sie ihn gesehen? Wie hat er ausgesehen,
Freddy?«
»Wendy? Wendy ditte. Grahan hat mir das angehängt. Dieses Hwein
wußte descheid. Grahan hat mir das angehängt. Hwein hat auf den
Hoto seine Hand auh nich gelegt wie auh ein Hündchen. Wendy?« Ein Geräusch wie ein ablaufendes Waschbecken. Dann die
Stimme eines Arztes: »Das genügt. Lassen Sie mich jetzt machen. Gehen Sie aus dem Weg. Los.«
Das war alles.
Als sich dann Crawford das Band anhörte, stand Graham über
Lounds.
»Wir überprüfen gerade die Autonummer«, erklärte der Detektiv. »Konnten Sie verstehen, was er gesagt hat?«
»Wer ist Wendy?« fragte Crawford.
»Diese Nutte draußen auf dem Flur. Die Blondine mit der
ausladenden Oberweite. Sie versucht schon die ganze Zeit, zu
ihm vorgelassen zu werden. Sie weiß von nichts.«
»Warum laßt ihr sie nicht rein?« fragte Graham, ohne sich
von Lounds abzuwenden.
»Keine Besucher.«
»Der Mann liegt doch im Sterben.«
»Denken Sie, das wüßte ich nicht? Ich hocke hier schon seit
sechs Uhr auf meinem fetten Arsch rum - entschuldigen Sie,
Schwester.«
»Dann gönnen Sie sich mal eine kleine Pause«, sagte Crawford.
»Machen Sie sich auf der Toilette ein bißchen frisch und trinken Sie in der Cafeteria eine Tasse Kaffee. Das wird Ihnen gut
tun. Er kann sowieso nichts sagen. Und wenn doch, werden
wir es auf Band aufnehmen.«
»Gern, ich kann wirklich eine kleine Verschnaufpause vertragen.«
    Als der Detektiv gegangen war, ließ Graham Crawford allein in dem Krankenzimmer zurück. Er trat an die Frau auf dem Flur heran. »Wendy?«
    »Ja.«

    »Wenn Sie ihn wirklich sehen wollen, können Sie jetzt mit mir reinkommen.«
    »Natürlich will ich ihn sehen. Aber vielleicht sollte ich mir vorher die Haare noch etwas richten.«
»Das ist jetzt nicht nötig«, versicherte ihr Graham.
Als der Detektiv zurückkam, machte er keine Anstalten, sie wieder vor die Tür zu setzen.
Wendy, die Inhaberin von Wendy City, hielt Lounds’ schwarz verkohlte Klaue und sah ihn unverwandt an. Kurz vor Mittag bewegte er sich einmal kurz.
»Es wird alles wieder gut werden, Roscoe«, flüsterte sie ihm zu. »Du wirst sehen; wir werden uns noch eine schöne Zeit machen.«
Lounds bewegte sich noch einmal

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