Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Roter Engel

Roter Engel

Titel: Roter Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tess Gerritsen
Vom Netzwerk:
glänzte eine kleine Pfütze aus Dextrose und Wasser.
    »Wo ist sie?« sagte Dvorak.
    Toby ging zum Schrank und sah nach Mollys Kleidern. Sie waren fort.
    Sie lief wieder hinaus auf den Flur und steckte den Kopf in Zimmer 311, wo man noch mit der Notversorgung beschäftigt war.
    »Molly Picker hat das Krankenhaus verlassen!« rief Toby. Die verantwortliche Schwester sah auf. Es war ihr offensichtlich zuviel. »Ich kann hier jetzt nicht weg! Rufen Sie den Sicherheitsdienst an.«
    Dvorak zog Toby aus dem Zimmer. »Sehen wir unten nach, im Empfangsbereich.«
    Sie liefen zum Aufzug zurück.
    Unten stand eine Sicherheitswache am Haupteingang.
    »Wir suchen ein Mädchen«, sagte Dvorak. »Ungefähr sechzehn – lange braune Haare, trägt einen Regenmantel.«
    »Ich glaube, die ist vor wenigen Minuten hier rausgegangen.«
    »In welche Richtung?«
    »Ich weiß nicht. Sie ging einfach zur Tür hinaus. Ich habe ihr nicht nachgesehen.«
    Toby trat vor die Tür. Regen schlug ihr ins Gesicht. Das nasse Pflaster glänzte.
    »Es ist erst ein paar Minuten her«, sagte Dvorak. »Sie kann noch nicht sehr weit sein.«
    »Wir nehmen meinen Wagen«, sagte Toby. »Ich habe Autotelefon.«
    Die erste Runde um den Block brachte nichts. Von Molly war keine Spur zu sehen. Sie fuhren weiter. Keiner sagte ein Wort.
    Beide ließen den Blick über die Gehsteige schweifen, während der Scheibenwischer hin und her quietschte.
    Bei der zweiten Runde um den Block sagte Dvorak: »Wir sollten die Polizei rufen.«
    »Die macht ihr nur angst. Wenn sie einen Cop sieht, rennt sie.«
    »Das
tut
sie bereits.«
    »Überrascht dich das? Sie hat Angst vor diesem Romy. Im Krankenhaus war sie wie in einer Falle.«
    »Wir hätten Polizeischutz für sie anfordern können.«
    »Sie traut der Polizei nicht, Dan.«
    Toby umrundete den Block noch einmal und erweiterte den Radius. Langsam ging es aus der Harrison Street nach Norden weiter. Wenn das Mädchen die Sicherheit in der Menge suchte, dann war dies die richtige Richtung – auf das geschäftige Chinatown zu.
    Nach zwanzig Minuten hielt sie schließlich an. »Das bringt nichts. Das Mädchen will nicht, daß man es findet.«
    »Ich glaube, es ist jetzt Zeit, die Polizei zu rufen«, sagte Dvorak.
    »Um sie festnehmen zu lassen?«
    »Du stimmst mir doch zu, daß sie eine Gefahr für sich selber ist, oder?«
    Toby überlegte kurz und nickte. »Bei dem Blutdruck könnte sie einen neuen Anfall bekommen. Einen Schlaganfall.«
    »Das reicht.« Dvorak griff zum Telefon.
    Während er anrief, starrte Toby aus dem Fenster. Wie traurig mußte es sein, durch den Regen zu stapfen, und das eiskalte Wasser drang einem in die Schuhe, lief einem in den Kragen.
    Wie relativ bequem ging es ihr selbst hier in dem Wagen. Ledersitze. Warme Luft, die die Heizung ins Innere blies.
    Sechzehn. Hätte ich mit sechzehn hier in den Straßen überlebt?
Und das Mädchen war schwanger. Hatte einen lebensgefährlichen Blutdruck. Eine Zeitbombe.
    Draußen regnete es jetzt stärker.

19
    Vier Blocks weiter in einer kleinen Gasse kauerte Molly in einem Pappkarton, nicht weit vom Hintereingang eines indischen Restaurants. Immer wieder stieg der Geruch aus der Küche in ihre Nase – fremde, würzige Düfte, die sie nicht zuordnen konnte, ihr das Wasser aber im Mund zusammenlaufen ließen. Dann drehte der Wind wieder, und sie roch den fauligen Geruch aus einer nahe stehenden Abfalltonne. Ihr drehte sich der Magen um.
    So schwankte sie zwischen Hunger und Übelkeit und verkrampfte sich in ihrem Karton immer mehr. Der Regen hatte die Pappe bereits aufgeweicht. Feuchtklebrig lag sie auf ihren Schultern.
    Die Hintertür des indischen Restaurants ging auf. Ein Lichtschein fiel auf die Straße, nur ein schmaler Spalt. Aus der Tür trat ein Mann mit einem Turban auf dem Kopf und trug zwei Tüten Abfall zur Tonne. Er schob den Deckel hoch, ließ die Tüten hineinfallen und den Deckel wieder herunterknallen.
    Molly nieste.
    Der Mann hatte sie offenbar gehört, denn er blieb stehen. Dann näherten sich seine Umrisse langsam der Kiste. Er beugte sich mit seinem bedrohlichen Turban über sie und sah in die Öffnung. Beide starrten einander an.
    »Ich habe Hunger«, sagte sie.
    Sie sah ihn zur Küche hinübersehen. Dann nickte er.
    »Warte«, sagte er und ging hinein.
    Kurz darauf kam er mit etwas Warmem zurück, das er in eine Serviette eingeschlagen hatte. Es war ein Fladenbrot, wohlriechend und weich wie ein Kissen.
    »Du gehst jetzt besser«, sagte er, aber

Weitere Kostenlose Bücher