Roter Fluch - Wells, J: Roter Fluch - Mage in Black - Red-Headed Stepchild Trilogie 2
schweren Schreibtisch aus Eiche und wirkte in diesem Moment eher wie ein wütender Politiker als wie ein ehrwürdiger Magier. Er hatte Maisie und mich in sein Büro gerufen, als wir gerade auf dem Weg in den Innenhof waren, wo wir in ein Auto steigen und zum sogenannten Scheideweg bei Sleepy Hollow fahren wollten.
Zuerst war ich dankbar für die Verzögerung. Nach Maisies Warnung, besser mit leerem Magen zur Visionssuche zu kommen, freute ich mich nicht gerade auf ein weiteres – möglicherweise ekelerregendes – Ritual.
Doch als ich den Brief öffnete und mich einem Juristen-Blabla gegenübersah, das meine Augen schmerzen ließ, verschwand das Gefühl der Dankbarkeit schlagartig.
Maisie las über meine Schulter hinweg mit. Ich reichte ihr das Blatt Papier, das sie noch eine Weile überflog, ehe sie mich mit großen Augen ansah.
»Was ist das?«, wollte ich wissen.
»Das«, sagte sie mit grimmiger Miene, »ist die Folge
deiner gestrigen Auseinandersetzung im Central Park. Der Schatten verlangt ein Duell.«
Ich sah sie fassungslos an. »Wie bitte?« Ich konnte kaum glauben, was ich da hörte.
»Offenbar wurden Werwölfe verletzt, die unter dem Schutz des Schattens stehen«, erklärte Orpheus. »Er verlangt nun, dass Sie mit dem Anführer des Rudels kämpfen, um für Ihr Vergehen zu büßen.«
»Könnte mir bitte endlich mal jemand erklären, wer oder was dieser Schatten eigentlich ist?«, fragte ich neugierig.
Die Werwölfe hatten diesen Namen im Central Park so ehrfürchtig genannt, als sprächen sie von einer mysteriösen Naturgewalt. Ich wollte endlich wissen, warum ich mir überhaupt Gedanken über jemanden machen sollte, der sich »der Schatten« nannte.
»Er ist ein Vampir«, erwiderte Maisie. »Er herrscht über den Schwarzlichtbezirk. Der Rat der Hekate vertraut ihm, den Frieden zwischen den nicht-magischen Schattengeschlechtern in der Stadt zu wahren. Du hast Glück, dass es nur ein Duell ist. Normalerweise ist er nicht gerade dafür bekannt, solche Verstöße gegen das Gesetz auf die leichte Schulter zu nehmen.«
»Wie bitte? Du glaubst doch wohl nicht, dass ich an einem Duell teilnehme?«
Zwei ernste Blicke richteten sich auf mich. Ich sah die beiden fassungslos an. »Sabina, Sie haben gegen das Gesetz verstoßen«, sagte Orpheus. »Das Wildern auf Werwolf-Territorium ist verboten. Und selbst wenn man diesbezüglich noch ein Auge zudrücken könnte, haben Sie immer noch zwei Werwölfe verletzt, die unter dem Schutz des Schattens stehen. Es ist das gute Recht des
Leittiers des Rudels, Sie in diesem Fall zu einem Duell herauszufordern.«
»Aber ich habe gar nicht gewusst, dass ich verbotenes Territorium betrete«, protestierte ich. »Und außerdem haben sie mich verfolgt. Warum soll ich bestraft werden, wenn ich mich nur verteidigt habe?«
»Unwissen schützt vor Strafe nicht«, entgegnete Orpheus ungnädig. »Die Beziehungen zwischen den Schattengeschlechtern sind mit dem drohenden Krieg ohnehin schwierig genug geworden. Wenn ich mich über den Wunsch des Schattens hinwegsetze, sende ich damit die falschen Signale an die Werwölfe und Vampire dieser Stadt. Sie werden also morgen Abend beim Schatten vorstellig, und Sie werden sich diesem Kampf stellen. Haben Sie verstanden?«
»Und wenn ich mich weigere?«
Orpheus starrte mich grimmig an. »Dann – Maisies Schwester hin oder her – liefere ich Sie persönlich beim Schatten ab.«
Rhea wartete bereits mit Giguhl und der jungen Magierin, die ihr beim Reinigungsritual assistiert hatte, im Hof auf uns. Bei der Erinnerung an den widerwärtigen Zaubertrank, den ich hatte trinken müssen, stieg mir von Neuem die Galle hoch.
»Das ist meine Assistentin – Damara«, stellte Rhea die junge Frau vor. »Ich hoffe, du hast nichts dagegen, dass sie uns bei der Visionssuche hilft.«
Ich zwang mich dazu, das Mädchen anzulächeln. »Nein. Hallo, Damara.«
Die Assistentin ignorierte meine ausgestreckte Hand und wandte sich stattdessen an Rhea. »Wollen wir?«
Ich versuchte, ihre abfällige Geste nicht allzu ernst zu nehmen. Sie war noch jung und steckte in Anbetracht ihrer nachlässigen Haltung und der schwarzen Klamotten vermutlich mitten in einer Art Teenager-Rebellion.
»Ich zuerst!«, brüllte Giguhl.
Er hatte darauf bestanden, mitzukommen. Einen Moment lang hatte ich mir überlegt, abzulehnen, doch dann hielt ich es für vernünftiger, ihn in meiner Nähe zu haben. Auf diese Weise konnte ich ihn im Auge behalten, und er würde hoffentlich
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