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Roter Herbst - Kriminalroman

Roter Herbst - Kriminalroman

Titel: Roter Herbst - Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
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sie etwas unsicher auf, als Ada ihr eine knappe Notiz hinhielt.
    »Da war ein Anruf für dich«, meinte Ada. Es klang ein wenig vorwurfsvoll. »Ich habe durchgestellt, aber du hast nicht abgehoben …«
    »Schon gut. Ich habe gerade nachgedacht.«
    Ada nickte, was den Eindruck erweckte, als würde sie genau verstehen, was Amanda damit meinte. »Ein Anruf aus dem Innenministerium. Die wollen einen Praktikanten oder etwas ähnliches schicken, der dich in den nächsten Wochen begleiten soll.«
    Amanda blies die Backen auf, sagte aber nichts.
    »Du sollst so bald wie möglich zurückrufen. Die Nummer habe ich aufgeschrieben. Hier …«
    »Hat er seinen Namen nicht genannt?«, fragte Amanda, die den Zettel vage musterte.
    »Steht doch dort.«
    Amanda nickte. Dann beobachtete sie, wie Ada hinauswackelte. Sie hatte schöne Beine, dachte sie. Ob Ada je mit Krampfadern zu kämpfen haben würde? Sie seufzte. Es war wohl eher eine akademische Frage.

    Der Mann aus dem Innenministerium gab sich kurz angebunden. Ja, da würde jemand kommen, der deutsche Polizeiarbeit studieren wollte. Eine Art internationaler Austausch. Ein Projekt, das auf ministerialer Ebene angesiedelt sei.
    »Ein Ausländer?«, fragte Amanda Wouters.
    »Ja, warum denn nicht?«
    Amanda schluckte einmal trocken. Sie sah Ungemach auf sich zukommen. Sie hatte nichts gegen Ausländer, aber der Gedanke, Büro, Arbeit und vielleicht sogar Freizeit mit einem unbekannten Kollegen teilen zu müssen, gefiel ihr überhaupt nicht. »Wir stecken gerade in einem Mordfall, der uns …«
    »Sehr gut, sehr gut«, schnitt ihr die Stimme am Telefon das Wort ab. »Das ist genau das, was wir brauchen.«
    Amanda ging in Gedanken die Nationalitäten durch, die für den potenziellen Besucher infrage kamen. Jemand aus Osteuropa. Aus Russland vielleicht. Oder aus Asien. China oder …
    »Herr Johnson ist übrigens Amerikaner und spricht sehr gut Deutsch. Äh … und lassen Sie ihn an Ihren Ermittlungen teilhaben.«
    Die Stimme verstummte für einen Moment und Amanda, die zur Decke gestarrt hatte, während sie in den Hörer lauschte, fühlte sich bemüßigt, etwas zu erwidern. Ehe sie etwas sagen konnte, drang die Stimme schon wieder an ihr Ohr. »Der Minister ist sehr an einem reibungslosen Ablauf interessiert, Frau Wouters. Wir können uns doch auf Sie verlassen?«
    »Ein Ami …«, hob sie an, kam jedoch nicht recht weit.
    »Ja, ja. Rufen Sie an, falls es Probleme geben sollte.«
    »Mach ich.«
    »Dann auf Wiederhören.«
    Amanda räusperte sich. Gleich darauf hörte sie, wie die Verbindung unterbrochen wurde. Der Mann aus dem Ministerium hatte aufgelegt.
    »Auf Wiederhören«, schickte sie trotzdem noch hinterher.
    Eine Minute später hatte sie den Anruf und das seltsame Ansinnen des Ministers bereits wieder vergessen.

    Das Weiße Roß gab es schon immer. Und genau so lange war es im Besitz der Familie Berger. Als sie noch ein kleines Mädchen gewesen war, hatte der Vater sie regelmäßig zum Berger geschickt, um Bier zu holen. Frisch gezapft vom Fass musste es sein, nicht das Bier aus der Flasche, dem er nicht traute. Da war sie dann einmal in der Woche, meistens am Samstag, die krumme, alte Straße vom Hof bis zum Wirtshaus gegangen, hatte einen Krug mit schäumendem Bier bestellt und die paar Münzen, die ihr der Vater mitgegeben hatte, auf den Schanktisch gelegt. Manchmal hatte er ihr auch nichts mitgegeben. Da hatte sie den Berger dann fragen müssen, ob er es anschreiben würde. Der hatte ihr meistens zugenickt, und wenig später hatte sie sich mit dem vollen Krug auf den Rückweg gemacht. Oft war es schon dunkel gewesen und sie hatte sich gefürchtet. Trotz der Gespenster, die sie umlauert hatten, war sie jedes Mal im Schatten der Büsche stehen geblieben und hatte sich einen Schluck vom Bier gegönnt, bevor sie den Hof erreicht und dem Vater den Krug hingehalten hatte. Noch heute konnte sie sich an den kühlen, herben Geschmack erinnern. Damals hatte sie die verbotene Köstlichkeit zum ersten Mal versucht. Der Vater hatte nie etwas gesagt, nur manchmal gebrummt: »Hast wieder was verschüttet, Amanda. Nächstes Mal passt besser auf!«

    Die Wirtsstube sah noch immer so aus, wie sie sie aus jenen Tagen der Kindheit in ihrer Erinnerung bewahrt hatte. Ein großer weiß getünchter Raum mit niedriger Decke und einer Reihe dunkler Balken. Dazu etliche Säulen, die den Raum aufteilten und hinter denen sich die Tische, voneinander abgeschirmt, in kleine Nischen duckten.

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