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Roter Herbst - Kriminalroman

Roter Herbst - Kriminalroman

Titel: Roter Herbst - Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
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der Ruinen haust …«
    »Nur ein Gerücht?«
    Er zuckte mit den Schultern. »Meine Frau denkt, dass etwas dran ist, aber ich weiß nicht … Frauen, die sehen gerne Gespenster.«
    Bichlmaier nickte. »Würden Sie mich ins Moor hinausbegleiten?«
    Der Förster blickte ihn skeptisch an. »Das ist nicht so einfach, wie sie denken. Das Moor ist ein Ungeheuer … Außerdem sind für die nächsten Tage heftige Frühjahrsstürme vorhergesagt.«
    »Und danach?«
    »Natürlich nimmt er Sie dann mit hinaus«, kam die Stimme aus dem Nebenraum. »Irgendwann muss das ganze Elend doch ein Ende finden.«
    »Was meinen Sie damit?«, fragte Bichlmaier, aber die Stimme aus dem anderen Zimmer war verstummt.

24
    In der Nacht zog tatsächlich ein Tiefdruckgebiet von den Britischen Inseln über dem Moor herauf. Dunkle Wolken, die sich furchterregend über der Stadt und den Dörfern zusammenballten. In den frühen Morgenstunden fing es an, zu regnen. Der Regen wurde immer heftiger und bald sah es aus, als wollte die Welt untergehen.
    Bichlmaier hatte schlecht geschlafen und fühlte sich müde und erschlagen, als er kurz vor acht aus den Federn kroch. Er hatte sich die ganze Nacht über im Bett herumgewälzt. Dabei waren ihm die Worte, die die Frau des Försters gesagt hatte, immer wieder durch den Kopf gegangen. Allmählich hatte sich dabei ein Muster gebildet, dem er wieder und wieder gefolgt war, und im Halbschlaf hatte er auf einmal das Gefühl gehabt, zu verstehen, wie die Dinge zusammenhingen. Alles war ganz einfach gewesen. Daraufhin war er wohl eingeschlafen. Als er sich jetzt jedoch zu erinnern versuchte, merkte er, dass nichts mehr so recht einen Sinn ergab. Noch fehlten zu viele Puzzleteile. Was in der Dunkelheit der Nacht klar gewesen war, erwies sich bei Licht besehen als brüchig.

    Eine halbe Stunde, nachdem er aufgestanden war, klingelte sein Handy. Seine Schwester, von der er seit einer Ewigkeit nichts mehr gehört hatte, meldete sich. Schon bei ihren ersten Worten merkte er, dass sie geweint hatte.
    »Mama ist tot«, sagte sie, als er fragte, was denn los sei.
    Er wusste nicht, was er darauf erwidern sollte, und schämte sich deswegen. Auch, weil er seine Mutter so lange nicht mehr besucht hatte. Mehr als ein Jahr war seit seinem letzten Besuch vergangen. Er erinnerte sich recht gut, er hatte damals ihre toten Augen nicht ertragen und war geflohen, wie er sein Leben lang vor allem geflohen war, was ihn aus dem Gleichgewicht hätte bringen können.
    »Heute kurz nach Mitternacht … Die Leiterin des Heims hat erst vor einer halben Stunde angerufen. Sie wollte uns in der Nacht nicht mehr wecken …«
    »Ja, ja.«
    »Wirst du kommen?«
    »Natürlich. Ich fahre gleich los. Woher hast du überhaupt meine Handynummer?«
    »Marianne hat sie mir gegeben. Sie kommt auch zur Beerdigung.«
    »Gut«, sagte er. »Die beiden haben sich ja gemocht … früher.«

    Nach dem Gespräch legte er sich aufs Bett und starrte zum Fenster, gegen das der Regen prasselte. Er lag lange so, und seine Gedanken wühlten in der Vergangenheit. Eigenartigerweise waren es Bilder, die unendlich weit weg waren, die als Erstes in ihm hochkamen. Seine Mutter beim Federballspiel am Schlossplatz von B., lachend und mit schwingendem Rock und wehenden Haaren. Ein Bild von trauriger, verlorener Schönheit. Wie alt er damals wohl gewesen war? Vielleicht vier oder fünf … Die Menschen um seine Mutter herum schienen alle glücklich zu sein. Nur er selbst fehlte auf dem Bild.
    Kurz nach neun rief er bei Amanda Wouters an und erzählte ihr, was geschehen war, und dass er die nächsten Tage nicht da sein würde. Er fühlte sich leer und spürte eine tiefe Trauer, die größer war, als er selbst.

    Die Beerdigung fand an einem Mittwoch statt. Er kam am Tag zuvor an und nahm sich in einer kleinen Pension außerhalb von B. ein Zimmer. Da hatte seine Schwester schon all die Dinge erledigt gehabt, die anfallen, wenn jemand in der Familie stirbt. So blieb ihm nichts, was er tun könnte, und er stahl sich alsbald davon aus dem Kreis der wenigen Verwandten, die sich versammelt hatten – nur Marianne fehlte noch. Er fuhr dorthin, wo seine Mutter gestorben war, zu dem kleinen Ort an der Autobahn, zu dem Pflegeheim, in dem sie die letzten Jahre verbracht hatte.
    Das Pflegepersonal war freundlich und bemüht, und man führte ihn zu dem Zimmer, in dem noch die wenigen Sachen standen, die ihr gehört hatten. Es war erschreckend wenig, was nach einem langen Leben am Schluss

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