Roter Hibiskus: Roman (German Edition)
geküsst hatten. Die Leidenschaft hatte so real gewirkt. Vielleicht war das, was in der Hütte passiert war, auch nichts anderes. Vielleicht hatte es Mara viel mehr bedeutet als Peter.
Peter schaute sich um, als suche er jemanden. Als er Mara erblickte, leuchtete sein Gesicht auf. Maras Zweifel schwanden, und sie empfand nur noch Freude. Langsam trank sie einen Schluck Champagner. Sie leckte sich die Süße von den Lippen und erwiderte sein Lächeln.
Als Peter auf sie zukam, merkte Mara kaum, dass Leonard sich entschuldigte und wegging. Ihr Blick war nur auf Peter gerichtet. Er trug seinen Leinenanzug und hatte die Krawatte gelockert. Die Haare hatte er aus dem Gesicht gekämmt. Sie spürte, dass er ein wenig nervös war; das ließ ihn jung wirken – als ob er wieder der jugendliche Surfer am Strand von Bondi wäre. Als er näher kam, glitt sein Blick über Maras Körper. Kurz blieb er an dem roten Kleid, das sie unter den Arm geschoben hatte, hängen, und dann ruhte er auf ihrem Gesicht. Noch bevor sie einander begrüßen konnten, trat der Küchen-Boy heran. Er trug ein Tablett mit zwei dampfenden Emailschüsseln.
»Wir servieren das Abendessen«, sagte er in seiner Singsang-Stimme.
»Danke.« Mara überlegte verwirrt, warum das Essen in diesen einfachen Gefäßen, wie sie die Dorffrauen benutzten, zum Tisch gebracht wurde und nicht in Alices Porzellangeschirr. Aber alles, was mit der Lodge zu tun hatte, war auf einmal fern und bedeutungslos für sie.
»Gut!«, sagte Peter. »Ich komme um vor Hunger.«
Während er sprach, betrachtete Mara seine Lippen und den perfekten Bogen seines Mundes.
»Dann sollten wir uns wohl besser einen Platz suchen«, antwortete sie.
Die Sätze, die sie wechselten, schienen verschlüsselte Nachrichten zu sein, die für alles standen, was sie sich zu sagen hatten.
Mara führte ihn an den Tisch, wo Leonard und Carlton saßen. Die Brüder betrachteten unsicher die großen Schüsseln, die vor ihnen standen.
»Wir haben kein Besteck und keine Teller«, sagte Leonard, als Mara sich neben ihn setzte.
Sie blickte auf die Schüsseln. Eine war voller ugali – ein fester Brei aus Maismehl, eine andere enthielt einen Fleischeintopf, und in der dritten befand sich eine dunkelgrüne Sauce, wahrscheinlich aus wildem Spinat.
»Es ist Udogo-Essen«, sagte Mara, »von dem einheimischen Stamm hier.« Einen Moment lang war sie überrascht darüber, was Menelik da als letztes Abendessen für die Filmcrew ausgesucht hatte, aber dann begriff sie, wie perfekt es passte. Jetzt, wo der Film erfolgreich abgedreht war, nach so viel harter Arbeit und vielen Problemen, waren alle in Feierstimmung. Es war schon spät, was zu der entspannten Atmosphäre beitrug. Dazu passte es gut, dass alle mit der Hand aus den Gemeinschaftstöpfen aßen. Es waren auch mehr Tische als sonst aufgestellt worden. Drüben am Feuer saßen die somalischen Kulissenbauer mit Brendan und Bwana Stimu. Tomba und Daudi waren ins Gespräch vertieft mit Jamie, während der Ranger zuhörte. Und es waren auch noch Plätze frei für die Boys und Kefa. Wahrscheinlich würde sich sogar Menelik zu ihnen gesellen, weil er Zeit hatte, wenn er so ein traditionelles Essen servierte. An diesem letzten Essen in der Lodge würden alle teilnehmen.
»Sie essen mit den Fingern«, erklärte Mara. »So.« Ihre Stimme trug weiter, als sie beabsichtigt hatte, denn auch an den Nebentischen standen Leute auf, um ihrer Demonstration zuzuschauen.
Mit der rechten Hand nahm sie einen kleinen Klumpen Brei, formte ihn zu einer Kugel und drückte mit dem Daumen eine kleine Öffnung hinein. Dann tauchte sie die Kugel in die Spinat- mboga und schob sie sich in den Mund. Zu spät dachte sie daran, die Spinatfasern abzuschütteln. Sie versuchte, den Spinat in den Mund zu schieben, aber er hing ihr über das Kinn. Zuerst war sie verlegen, aber dann leckte sie ihn einfach ab, zuckte mit den Schultern und lachte. Ihre Geste schien bei ihren Gästen anzukommen, denn es dauerte nicht lange, und alle griffen eifrig in die Schüsseln. Lebhaftes Geplauder erfüllte die Luft.
Als Mara sich auf ihrem Stuhl zurücklehnte, begegnete sie Peters Blick. Unwillkürlich fragte sie sich, ob er wohl merkte, wie verändert sie war. Vor nicht allzu langer Zeit hätte es sie noch nervös gemacht, im Mittelpunkt der allgemeinen Aufmerksamkeit zu stehen. Wenn sie einen Fehler gemacht hätte, wäre sie wie gelähmt vor Verlegenheit gewesen. Aber jetzt fühlte sie sich entspannt und
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