Roter Hibiskus: Roman (German Edition)
ihr Kleid gelaufen. Sie hatten beide hell und sorglos aufgelacht.
Das Geräusch einer Trommel durchbrach Maras Gedanken. Am Feuer saßen die beiden Hütten-Boys und schlugen mit den Händen auf eine Trommel aus Ziegenleder. Als sie ihren rhythmischen Bewegungen zusah, merkte sie auf einmal, dass aus der Dunkelheit Gestalten auftauchten und ihre Plätze an den Tischen einnahmen: Brendan, die beiden Nicks und Rudi. Die Männer trugen ihre besten Abendanzüge, und ihre Gesichter waren glatt und frisch rasiert. Geschliffene Weingläser mit goldenem, gelbem oder dunkelrotem Inhalt funkelten in ihren Händen. Daudi und der Ranger traten zu ihnen und auch ein lächelnder Carlton; die drei hatten Krüge mit dem blassen, einheimischen Bier in der Hand.
Mara brauchte sich nach Peter gar nicht umzuschauen – sie spürte seine Abwesenheit so deutlich, wie sie die Trommeln hören konnte. Sie stellte sich vor, wie Peter in seinem Rondavel Lukes Dinnerjackett und Hemd ablegte und wieder in seine eigenen Kleider schlüpfte. Sie fragte sich, ob er wohl – genauso wie sie – versucht gewesen war, das Kostüm anzubehalten. Ein Teil von ihr wollte so gerne die endgültige Trennung von Maggie hinauszögern, aber der andere Teil spürte, dass ihr Safarikleid ihr einen sicheren Schutzschild verlieh. Es würde sie daran erinnern, wer sie war, hier in der realen Welt.
Aber es funktionierte nicht. Obwohl ihre Kleidung ihr vertraut war, fühlte Mara sich nicht wie sie selbst. Immer noch floss eine seltsame Kraft in ihr. Sie fühlte sich mutig und verwegen, zugleich aber auch wund und verletzlich – als ob sie in einen Körper neu geboren worden wäre, der zwar perfekt war, aber erst auf seine Stärke hin erprobt werden musste.
Mara drehte sich um und blickte Leonard entgegen, der mit zwei Gläsern Champagner auf sie zukam. Er trug immer noch seine rote Latzhose, das Drehbuch hinter den Latz gesteckt, hatte allerdings seine schmutzigen Buschstiefel gegen ein Paar Mokassins getauscht. Wahrscheinlich war er direkt von der Location in die Bar gegangen, dachte Mara. Sein Gesicht war gerötet, und er schwankte leicht. Aber ebenso wie sein Bruder strahlte er vor Freude.
»Ich kann nicht glauben, dass es vorbei ist! Fertig!« Leonard stellte die Gläser auf den Tisch, der am nächsten stand, und zog das Drehbuch unter dem Latz hervor. Er hielt es hoch, damit sie es sehen konnte, und blätterte es durch. Jede Szene war mit einem roten Haken abgezeichnet. »Es ist jedes Mal ein großer Moment, wenn das Drehbuch so aussieht!«, sagte er grinsend. »Ich kann es kaum erwarten, mir die Aufnahmen von heute anzuschauen. Sie sind ein Naturtalent vor der Kamera, wissen Sie das? Ich habe das ja schon die ganze Zeit gesagt. Aber heute war da noch was anderes …« Er brach ab, als er Maras Blick begegnete. Dann nickte er langsam, als ob er deutlich machen wollte, dass er bereits verstanden hätte: Was er heute in der Hütte gefilmt hatte, war keine Schauspielerei gewesen. Es war überhaupt keine Darstellung gewesen, sondern real.
Mara blickte ihn nur schweigend an. Sie brauchte ihm nicht zu antworten; es wäre ihr so überflüssig vorgekommen, als wenn sie bestätigt hätte, dass der Tag der Tag war und die Nacht die Nacht.
Leonard ließ Mara nicht aus den Augen. Er griff nach einem der Gläser und trank einen Schluck Champagner. Als er sein Glas sinken ließ, wirkte er auf einmal unsicher, ein Ausdruck, der in völligem Gegensatz zu seiner sonstigen Ausstrahlung absoluten Selbstvertrauens stand. Er erschien dadurch weicher, gewöhnlicher, und es war plötzlich möglich, sich vorzustellen, dass er für sich selbst einkaufte oder ein kleines Kind an der Hand hielt.
Eine Weile stand er ganz still, aber dann lächelte er wieder. »Diese Szenen, die wir heute gefilmt haben, waren mehr als gut – sie sind bahnbrechendes Kino. Weil ich Sie nicht wirklich zeigen konnte, war alles an den Szenen ungewöhnlich. Die Kritiker werden in Begeisterungsstürme ausbrechen. Studenten werden Aufsätze darüber schreiben.« Seine Augen blitzten, als er das Glas erneut hob. »Auf Sie und Peter«, sagte er. »Auf uns alle!«
Mara hob ebenfalls ihr Glas. In diesem Augenblick trat Peter auf den Rasen. Ihre Finger schlossen sich fester um den Stiel des Glases. Als sie ihn dort stehen sah, nicht mehr als Luke, sondern als reale Person, beschlichen sie auf einmal Zweifel. Ihr fiel ein, wie sie am Tag von Binas Besuch zugeschaut hatte, als Lillian und Peter sich am Wasserloch
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