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Roter Hibiskus: Roman (German Edition)

Roter Hibiskus: Roman (German Edition)

Titel: Roter Hibiskus: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katherine Scholes
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Leise sagte er: »Von gar keiner. Ich bin Jäger.«
    Mara starrte ihn überrascht an. Sie wusste zwar, dass Großwildjäger für Museen arbeiteten und die Tiere erlegten, die für die Sammlungen gebraucht wurden. Aber sie brachten ihre Beute nicht persönlich vorbei. Mara war noch nie zuvor einem begegnet.
    Als der Mann wieder über die Samtkordel stieg und zu den Hinterbeinen des Elefanten trat, folgte sie ihm. Seine fließenden, achtsamen Bewegungen faszinierten sie. Sie konnte sich gut vorstellen, wie er durch den Dschungel schlich, das Gewehr im Anschlag …
    Als ob er ihren Blick spüren würde, drehte er sich nach ihr um. Mara lächelte verlegen, weil er sie dabei ertappt hatte, wie sie ihn anstarrte. Er erwiderte ihr Lächeln.
    Einen Moment lang blickten sie einander nur an. Still und hoch wölbte sich der Große Saal über ihnen. Die Glasaugen von Hunderten toter Tiere schienen sie zu beobachten, darauf zu warten, dass etwas geschah …
    Dann schlug draußen im Foyer eine Tür zu. Die Stimmen von Schulkindern ertönten. Der Bann war gebrochen.
    Mara winkte dem Mann kurz zu und eilte davon. Die Absätze ihrer Schuhe klapperten laut auf dem Parkett. Sie hatte das sichere Gefühl, dass er ihr nachschaute, und musste den Impuls unterdrücken, glättend über Rock oder Haare zu streichen.
    Zur Mittagszeit sah sie den Jäger erneut. Er stand am Eingang des Museums, als sie, ihren Roman und einen Apfel in der Hand, in die Sonne hinaustrat. Im geschäftigen Treiben auf der Straße schien er sich nicht so wohl zu fühlen. Unschlüssig blickte er sich um. Er erinnerte Mara an einen Jungen, der neu in eine Schule kommt – er hatte etwas Verletzliches an sich, das gar nicht zu seiner kraftvollen Gestalt passen wollte. Er wirkte so, als wartete er auf jemanden, der ihn retten würde.
    Plötzlich hatte sie das Gefühl, verantwortlich für ihn zu sein. Sie trat zu ihm und lächelte ihn freundlich an. »Haben Sie sich verlaufen? Oder warten Sie auf jemanden?« Sie errötete bei der Frage. Hoffentlich glaubte er jetzt nicht, sie wollte andeuten, er hätte auf sie gewartet. Aber er erwiderte ihr Lächeln einfach nur.
    »Ich wollte irgendwo etwas zu Mittag essen«, sagte er.
    »Da unten an der Straße gibt es ein ganz gutes Café«, erwiderte Mara und zeigte in die Richtung.
    Der Mann nickte, rührte sich aber nicht. Es entstand ein kurzes, unbehagliches Schweigen – dann holte er tief Luft. »Vielleicht möchten Sie … Würden Sie mit mir essen gehen?« Verlegen wedelte er mit der Hand, als wolle er die Worte wieder wegwischen. »Aber Sie haben natürlich etwas anderes vor.«
    Mara lächelte wieder. »Nein, keineswegs. Ich würde gerne mit Ihnen essen gehen.«
    Bei Sandwichs und Kaffee stellten sie sich einander vor.
    »John Sutherland«, sagte der Jäger.
    »Mein Name ist Mara. Mara Hamilton.« »Mara«, wiederholte er überrascht. »Das ist ein ungewöhnlicher Name.«
    »Meine Mutter hat ihn aus einem Namenbuch«, erklärte Mara. Sie lachte. »Er hat allerdings keine sehr schöne Bedeutung. Ich habe einmal nachgeschlagen, und es ist hebräisch für ›bitter‹.«
    »Für mich bedeutet er das nicht«, sagte John. »Die Masai Mara ist einer der schönsten Orte der Welt. Und Sie haben denselben Namen. Eines Tages müssen Sie dorthin fahren.«
    Mara starrte ihn an. Es klang wie eine Prophezeiung – das Vorhersagen einer Zukunft, die vorgezeichnet war.
    Noch lange, nachdem sie schon längst über andere Dinge redeten, hing die Gewissheit in der Luft. John erzählte, dass er die lange Reise von Ostafrika hierher gemacht hatte, um persönlich eine Sammlung afrikanischer Steinzeit-Artefakte zu überbringen, die ein alter Freund, der kürzlich gestorben war, dem Museum vermacht hatte.
    »Hätte man sie nicht per Post schicken können?«, fragte Mara. »Das muss doch eine sehr weite Reise sein.«
    »Ja, das stimmt«, bestätigte John. »Aber mein Freund hat mich gebeten, sie persönlich zu überbringen. Es steht alles in seinem Testament. Er meinte, es wäre eine gute Idee, wenn ich Afrika für eine Zeitlang mal den Rücken kehrte – Urlaub machte –, bevor ich beschließe, was ich als Nächstes tun will. Er hat mir ein Anwesen in Tansania hinterlassen. Eine Jagdlodge.«
    »Und was haben Sie beschlossen?«, fragte Mara. Es kam ihr gar nicht seltsam vor, dass sie sich so vertraut unterhielten, obwohl sie sich doch gerade erst kennengelernt hatten. Es fühlte sich einfach richtig und gut an.
    Statt einer Antwort zog John ein Foto

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