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Roter Hibiskus: Roman (German Edition)

Roter Hibiskus: Roman (German Edition)

Titel: Roter Hibiskus: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katherine Scholes
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geliebt. Und der Mann hatte zu seinen Worten gestanden. Nach ihrem Tod war er für den Rest seines Lebens allein geblieben.
    Mara zog eine harte Dornbuschpflanze aus dem trockenen Boden. Als sie sie herausgerissen hatte, umklammerten ihre Wurzeln immer noch einen Ballen Erde. Sie riss noch eine aus. Als der Hügel frei von allem Unkraut war, trat sie an das jüngere Grab. Es war mit einer Messingplatte gekennzeichnet. Die Oberfläche glänzte in der Sonne, und Mara kniff die Augen zusammen, um die Worte lesen zu können, die eingraviert waren.

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    Die letzte Zeile war das Motto der Vereinigung: Ohne Furcht oder Hast. John hatte Mara die Bedeutung erklärt, als er sie zum ersten Mal zu den Gräbern mitgenommen hatte. Jeder Jäger hat zuerst Angst, und dann wird er großspurig und trifft übereilte Entscheidungen. Er muss die Mitte finden, wo nur akzeptable Risiken eingegangen werden. Und erst dann kann man ein Berufsjäger sein.
    Mara bückte sich, um einen weißen Spritzer Vogelkot vom Messing zu wischen. Es war kein Wunder, dachte sie, dass John sich in den letzten Monaten nicht hatte aufraffen können, hierherzukommen. Schließlich stand die Zukunft der Lodge ernsthaft auf dem Spiel. Es war nicht sein Fehler, dass seine Pläne nicht funktioniert hatten – er hatte keine überstürzten Entscheidungen getroffen und auch kein inakzeptables Risiko auf sich genommen. Aber Mara wusste, dass ihn das nicht trösten würde. Er hatte die Raynors enttäuscht.
    Mara drehte den Kopf und lauschte. Aus der Ferne ertönten dumpfe, rhythmische Schläge. Sie kamen aus dem Dorf – die Trommeln sprachen. Vermutlich teilten sie weiter entfernten Nachbarn die guten Nachrichten des Tages mit. Sie seufzte. Plötzlich war sie müde. Es war leicht, sich von der Erregung der Vorbereitungen mitreißen zu lassen und sich vorzustellen, dass die Ankunft von Carlton und seinen Kollegen das Schicksal von Raynor Lodge wenden würde. Aber in Wirklichkeit war es nur eine vorübergehende Erleichterung. Mit dem, was John bei der Selous-Safari verdiente, konnten sie ihre Schulden beim Geldverleiher im Ort bezahlen und hatten hoffentlich sogar noch ein bisschen Bargeld übrig. Aber ihre weiteren Probleme würde es nicht lösen.
    Sie würden die Lodge trotzdem schließen müssen.
    Mara überlief ein Schauer, obwohl der Spätnachmittag warm war. Niemand würde die Lodge kaufen wollen. Die Pacht würde an die Regierung zurückfallen, und die Dorfbewohner würden sich in der Lodge niederlassen. Sie stellte sich vor, wie das alte Steinhaus und die Gästehütten von einheimischen Familien bewohnt würden. Hühner würden auf Raynors Fensterbrettern aus Teak brüten. Aus den Lüftungsschlitzen der Rondavels würde der Rauch von den Kochfeuern dringen. Weiß verputzte Wände würden grau und Bäume würden gefällt und als Brennstoff verwendet werden. Der Busch würde in den Garten hineinwachsen und die Blumenbeete überwuchern.
    Mara blickte zum Horizont. Wohin sollten sie und John gehen? Was sollten sie tun? Sie versuchte, sich vorzustellen, wie sie mit ihrem Mann an einem anderen Ort lebte. Irgendwo anders in Tansania vielleicht? In Australien? Oder in England?
    Aber sie konnte sich beim besten Willen kein Bild machen. In ihrem Kopf herrschte nur entsetzliche Leere. Und als sie so in die Ferne starrte, wurde ihr auf einmal klar, dass es um die Zukunft ihrer Ehe nicht besser bestellt war als um die Aussichten für die Lodge. Etwas, das einmal solide und kostbar gewesen war, war jetzt so beschädigt, dass man sich kaum noch vorstellen konnte, in welcher Form es überleben würde.

4
    Mara stand an der Stelle, an der sich normalerweise ihr Frisiertisch befand. Staub bedeckte den Boden, und der Stuhl auf dem kleinen, fadenscheinigen Teppich wirkte verloren ohne das Möbelstück. Sie benutzte einen Handspiegel, um ihr Aussehen zu überprüfen, und hielt ihn vor die entsprechenden Körperteile. Das blaue Kleid war sauber und frisch gebügelt. Die Haare hatte sie zu einem festen Pferdeschwanz zurückgebunden, und sie hatte sich gerade das Gesicht gewaschen. Heute konnte durchaus das letzte Mal sein, dass sie Gäste in der Lodge empfing, und sie war entschlossen, den Job als Safari-Gastgeberin so gut wie möglich zu machen.
    Sie bückte sich, um einen Lippenstift und eine Puderdose aus einem Korb auf dem Boden zu nehmen. Dann lehnte sie

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