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Roter Hibiskus: Roman (German Edition)

Roter Hibiskus: Roman (German Edition)

Titel: Roter Hibiskus: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katherine Scholes
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Sie sagte nicht: »Ich wünschte, ich könnte dabei sein«, weil der Gedanke an eine Auslandsreise so absurd war – einmal abgesehen von der Einstellung ihres Mannes zur Heirat. Keiner der Hamiltons war jemals aus Australien herausgekommen; die meisten von ihnen waren noch nicht einmal von ihrem Inselstaat zum Festland gereist. »Ich schreibe dir«, versprach Mara Lorna.
    »Ich erzähle dir alles in meinen Briefen.«
    Als Mara fahren musste, versammelte sich die ganze Familie draußen vor der Eingangstür des Farmhauses. Maras Brüder waren still und bedrückt; ihr Vater ließ die Schultern hängen und wirkte verwirrt, als ob er nie wirklich geglaubt hätte, dass seine Tochter weggehen würde. Mara küsste sie zum Abschied, einen nach dem anderen, zuletzt ihre Mutter.
    »Ich hoffe, du hast ein glückliches Leben«, sagte Lorna. In ihrer Stimme lag ein Hauch von Sehnsucht. Mara wusste genau, was die Worte bedeuteten.
    Sei glücklicher als ich. Ergreif diese Chance. Lebe deine Träume – bevor sie zu Staub zerfallen …
    »Und ich war glücklich«, sagte Mara laut in der stillen Hütte, deren Wände ächzten, als sie sich in der Hitze ausdehnten. Ich war glücklich.
    Die Worte gingen ihr durch den Kopf, als sie an die erste Begegnung mit dem Mann dachte, der jetzt ihr Ehemann war. Sie erinnerte sich daran, wie viel Aufregung und Sinn für Romantik an jenem Tag auf einmal in ihr Leben getreten waren.

    Sie arbeitete in Melbourne im Museum. Ihre Stelle war beschrieben als Assistentin des Kurators, aber sie schien hauptsächlich darin zu bestehen, Briefe zu tippen oder bei endlosen Sitzungen Protokoll zu führen. Nur gelegentlich bekam Mara die Chance, ins Archiv zu gehen. Dann schlenderte sie an den staubigen Regalen vorbei und betrachtete die Ausstellungsstücke – Knochen, Insekten, Schnitzereien, Steine, ausgestopfte Tiere –, die aus allen Teilen der Welt stammten. Sie las gerne die Aufschriften auf den Tüten und Kästen – die exotischen, magischen Worte. Olduvai-Schlucht . Amazonas-Becken. Obervolta. Äußere Mongolei. Sie hielt sich gerne dort unten auf und atmete den Geruch nach Formaldehyd und Naphthalin ein, hinter dem, so stellte sie sich vor, etwas Wildes, Unbekanntes, weit Entferntes lag …
    An einem ganz gewöhnlichen Morgen im Winter eilte sie gerade wieder an ihren Schreibtisch im Hauptbüro zurück, unter dem Arm eine Schachtel mit Steinmustern. Um ihre Flucht vor der Schreibmaschine ein wenig in die Länge zu ziehen, machte sie einen Umweg durch den Großen Saal. Sie hatte eigentlich erwartet, dass der Raum um diese Uhrzeit leer sein würde, aber es war ein Mann darin – eine große Gestalt in einem hellen Anzug. Er studierte den Elefanten, der das Herzstück des Saales war. Mara wollte sich ihm gerade nähern, um ihm Informationen über die naturgeschichtliche Sammlung anzubieten, als er einfach über die Samtkordel stieg, die das Ausstellungsstück umgab, und sich vor den Vorderfuß des Elefanten hockte.
    »Entschuldigung, Sir!«, rief Mara. »Das dürfen Sie nicht!« Der Mann richtete sich auf und drehte sich zu ihr um. Er hatte strahlend blaue Augen, und sein Gesicht war gebräunt. Seine blonden Haare waren von der Sonne gebleicht.
    »Ich wollte es mir nur mal aus der Nähe anschauen«, sagte er. Sein englischer Akzent fiel ihr sofort auf. Irgendwie passte er zu dem ein wenig altmodischen Leinenanzug, den er trug. Er wies auf eine blasse gezackte Linie um den großen, grauen Fuß. »Diese Narbe wurde von der Schlinge eines Wilderers verursacht.«
    »Das arme Tier«, sagte Mara.
    »Das war schon früh in seinem Leben. Danach ist er beinahe verhungert. Das können Sie am Elfenbein erkennen. Aber es war eine Kugel, die ihn getötet hat.« Der Mann ließ seine Hand über die Seite des Elefanten gleiten. »Sie können hier sehen, wo sie eingedrungen ist. Genau hier. Er war damals schon ziemlich alt – zu alt für die Paarung.«
    »Ich verstehe«, sagte Mara. »Elefanten sind Ihre Spezialität.«
    Der Mann nickte langsam. Er betrachtete die langen, gebogenen Stoßzähne. »Das könnte man so sagen.«
    Mara versuchte, sich zu erinnern, ob irgendjemand den Besuch eines Zoologen erwähnt hatte – ständig kamen irgendwelche Wissenschaftler ins Museum, um die Sammlung zu begutachten und Vorträge zu halten. Aber von einem Experten für Elefanten hatte sie nichts gehört.
    »Von welcher Universität kommen Sie?«, fragte sie.
    Einen Moment lang wirkte er verwirrt, aber dann wurde sein Blick wachsam.

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