Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Roter Hibiskus: Roman (German Edition)

Roter Hibiskus: Roman (German Edition)

Titel: Roter Hibiskus: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katherine Scholes
Vom Netzwerk:
Singsang des afrikanischen Beamten, der aus seinem Gebetbuch vorgelesen und John gefragt hatte: »Versprichst du, sie zu lieben, zu ehren und zu beschützen, allen anderen zu entsagen und dich nur an sie zu halten?«
    Mara hatte John in die Augen geblickt, als er mit fester Stimme laut geantwortet hat: »Ja, ich verspreche es.«
    Allen anderen zu entsagen .
    Die Worte hallten immer noch stark und klar in Mara nach, als sie das ruinierte Kleid wieder in den Karton warf – und dann trat sie hinaus in den Sonnenschein.

    Die Hütten-Boys standen auf der vorderen Stoßstange des Landrovers, den Mara im Schritttempo fuhr. Der rote wilde Hafer wuchs spärlich dieses Jahr – hungrige Zebra-, Giraffen- und Büffelherden hatten alles abgegrast –, so dass Steine, Wurzeln, Ameisenhügel und Dunghaufen ganz leicht zu erkennen waren. Wenn die Jungen ein potenzielles Hindernis entdeckten, schlugen sie auf die Kühlerhaube, und Mara hielt an, während sie absprangen. Was sie mit ihren pangas nicht in kleine Teile zerhacken konnten, warfen sie hinten auf die Ladefläche. Im Rückspiegel konnte Mara erkennen, dass der größte Teil des Geländes, das als Landebahn für das Flugzeug dienen sollte, bereits glatt und flach war. Auf einer Seite errichtete Kefa einen langen Stab für den Windsack.
    Bald schon hatten sie das letzte Hindernis erreicht. Während die Jungen den Dornbusch zerhackten, blickte Mara hinüber zum Wasserloch. Am gegenüberliegenden Ufer sah sie den schwarzen Rücken eines Flusspferds, auf dem sich eine Gruppe weißer Vögel niedergelassen hatte. Nicht weit davon entfernt trippelte eine kleine Herde Gazellen anmutig durch den Schlamm zum Wasser. Der schwarze Lehm beschmutzte das cremeweiße Fell ihrer Fesseln. Es war eine friedliche Szene, wie sie so typisch war. Wieder einmal war Mara fasziniert davon, wie im Leben von Tieren sich alles auf einen Ort der Ruhe konzentrierte. Sie flohen entsetzt, wenn ein Raubtier angriff, aber sobald die Gefahr vorüber war, begannen alle wieder friedlich zu grasen. In der Welt der Menschen hingegen war alles ständig im Aufruhr. Mara beobachtete, wie eine Schar weißer Wasservögel angeflogen kam und sich am Ufer niederließ. Sie stellte sich vor, sie würde zu ihnen gehören, sie würde ins Wasser gehen und sich in seiner Kühle ausruhen – und all ihre Probleme wären vergessen …
    Als die Jungen fertig waren, schickte Mara sie zu Kefa.
    »Helft jetzt eurem Onkel«, sagte sie. »Ihr habt eure Sache gut gemacht.«
    Sie rannten, die Arme ausgebreitet, über die Landebahn und machten das Brummen eines fernen Flugzeugs nach. Die Gazellen am Wasserloch hoben den Kopf und beobachteten sie.
    Mara fuhr zu der Stelle, wo sich die Landebahn zur Ebene hin öffnete. Sie fuhr an den Überresten alter Vieh- bomas vorbei – Wälle aus Dornbüschen, die mit Stacheldraht verstärkt waren. Sie stammten noch aus der Zeit, als Raynor versucht hatte, Vieh auf der Savanne zu halten, bevor er entdeckt hatte, dass er als Jäger mehr Geld verdienen konnte.
    Nicht weit von dem letzten der bomas entfernt, hielt Mara den Landrover an und stieg aus. Sie ging auf die beiden Steinhügel zu, die nebeneinander auf einer kleinen Anhöhe über der Ebene und dem Wasserloch lagen. Schon von weitem konnte sie sehen, dass sie von Unkraut überwuchert waren: harte, bitter schmeckende Pflanzen, die sogar die Tiere verschmähten. Es überraschte sie, dass John sie nicht entfernt hatte – die Steinhügel waren heilige Stätten für ihn. Unter dem älteren, der vor Jahrzehnten errichtet worden war, befand sich das Grab von Alice Raynor; unter dem jüngeren Hügel, dessen Steine von Beton zusammengehalten wurden, lag der alte Jäger.
    John hatte Alice nie kennengelernt – sie war an den Folgen einer komplizierten Fehlgeburt gestorben, lange bevor er nach Raynor Lodge gekommen war. Aber er empfand trotzdem einen tiefen, zärtlichen Respekt für sie, den er von Bill übernommen hatte. Und den alten Jäger hatte John geliebt wie einen Vater.
    Mara kniete sich an Alices Grab, zupfte das Unkraut heraus und legte die Steine, die von Tieren verschoben worden waren, wieder an Ort und Stelle. Mit dem Ärmel wischte sie den Staub von der Holztafel. Sie war aus Ebenholz geschnitzt, wahrscheinlich vom Vater des heutigen Holzschnitzers im Dorf. Der Text war nur kurz:

    A LICE R AYNOR
L IEBE WÄHRET EWIG

    Mara betrachtete die Worte, die Bill Raynor ausgesucht hatte. Ihre Bedeutung war klar und kühn. Er hatte nur Alice

Weitere Kostenlose Bücher