Roter Hibiskus: Roman (German Edition)
Mara rasch und bereute ihre gedankenlosen Worte. »Sie sind diejenigen, die dir helfen müssen.«
Das schien Bwana Stimu zu besänftigen. Aber Mara spürte, dass er immer noch überlegte, wie er es finden würde, wenn ein anderer Elektriker – und vielleicht sogar ein anderer Generator – in sein Territorium eindringen würde. Er legte die Hände auf die gewölbte Oberfläche des alten Lister und streichelte ihn sanft.
Mara schälte ein hartgekochtes Ei, als sie zur letzten Hütte in der Reihe ging. Sie hatte heute noch keine Gelegenheit gehabt, etwas Richtiges zu essen, aber Menelik hatte eine Schüssel mit Snacks zubereitet, die sie dann essen konnte, wenn sie Zeit hatte. Die Geste hatte sie überrascht. Für gewöhnlich schien es ihn nur zu interessieren, ob der Bwana etwas gegessen hatte. Sie belohnte ihn dadurch, dass sie den ganzen Tag über zur richtigen Tür hereinkam.
Mara schob den Riegel zurück und trat ein. Die Luft roch dumpf und abgestanden. Diese Hütte war ursprünglich als Schlafzimmer eingerichtet gewesen, aber da sie in der Lodge nie ausgebucht gewesen waren, war sie nach und nach zum Lagerraum verkommen. Mara begann, Kisten, Bretter und Stapel alter Zeitungen vor die Tür zu werfen, wo die Boys sie wegräumen konnten.
Sie zerrte einige Säcke mit dem groben Salz heraus, mit denen sie die Tierhäute für die Reise zum Tierpräparator nach Dar vorbereiteten. Dabei versuchte sie, nicht daran zu denken, wie frische Felle aussahen – zusammengefaltet wie Kleider, mit Salz zwischen den Schichten –, oder daran, wie die grau-weißen Kristalle mit der Zeit rosa wurden, weil sie die Flüssigkeit aus den Häuten absorbierten.
Hinter dem letzten Sack lag eine Pappschachtel. Da sie sie nicht erkannte, hob sie den Deckel und spähte vorsichtig hinein, für den Fall, dass sich eine Schlange darin zusammengerollt hatte. Sie sah etwas Weißes darin glänzen.
Ihr Hochzeitskleid.
Sie stand ganz still und betrachtete es. Es schimmerte sanft. Mit plötzlicher Klarheit erinnerte sie sich daran, wie sich die Seide an ihre Beine geschmiegt hatte, an das leise seufzende Geräusch, mit dem das Kleid an ihrem Körper hinabgeglitten war.
Am Tag ihrer Hochzeit zog sie das Kleid in einem Zimmer im Kikuyu Hotel an. Der Duft nach Lavendel, der aus den Seidenfalten aufstieg, erinnerte sie an ihre Mutter, die so weit weg in Tasmanien war. Mit Tränen in den Augen dachte sie daran, wie sorgfältig Lorna das Kleid zugeschnitten und genäht hatte. Sie war bis spät in die Nacht aufgeblieben und früh am Morgen aufgestanden, damit es während des kurzen Aufenthalts ihrer Tochter fertig wurde, die aus Melbourne nach Hause gekommen war, um sich zu verabschieden. Lornas Bewegungen beim Nähen waren heftig; sie schwang die Nadel wie eine Waffe und ignorierte die kalten Blicke, mit denen Maras Vater sie ständig attackierte.
Ted machte kein Geheimnis daraus, dass er die Heirat missbilligte. Seiner Ansicht nach war es schon schlimm genug, dass seine Tochter aufs Festland gezogen war, um dort zu arbeiten. Er hatte immer geglaubt, sie würde ihren Fehler bald einsehen und wieder nach Hause kommen. Aber stattdessen ging Mara jetzt nach Afrika, um einen Mann zu heiraten, den niemand kannte. Er verstand es einfach nicht, sagte er immer wieder. Schließlich gab es jede Menge Farmerssöhne mit soliden Aussichten, die wesentlich näher an Maras Zuhause wohnten.
Maras Mutter stritt sich nicht mit ihm. Sie nähte und nähte. Bei den Hamiltons stand es lediglich dem Familienoberhaupt zu, seine Meinung frei zu äußern. Lorna kommunizierte durch Gesten: eine Tasse heiße Schokolade für ein Kind, das bestraft worden war; ein neues Paar Socken unter dem Kopfkissen für ein Mädchen, das ein enttäuschendes Schulzeugnis bekommen hatte. Und von Zeit zu Zeit flüchtete sie sich mit einem Glas Wasser und einer Aspirin in ihr Schlafzimmer.
Als der letzte Stich am Saum fertig war, probierte Mara das Kleid in der Küche an. Erst da sah sie, dass die weiten Ärmel des Kleides Engelsflügeln ähnelten – als ob ihre Mutter sicherstellen wollte, dass Mara alle Hilfe bekam, die sie brauchte, um ihre Flucht gut zu Ende zu bringen.
»Danke«, flüsterte Mara. »Es ist wunderschön.«
Lorna blickte ihre als Braut gekleidete Tochter lange an, dann half sie ihr, das Kleid auszuziehen, um es zwischen Lagen von Seidenpapier zu legen, über die sie Lavendel aus dem Garten streute. Schweigend sah sie zu, wie Mara es in ihren übervollen Koffer packte.
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