Roter Hibiskus: Roman (German Edition)
Tomba gehörte.
»Wollen Sie jagen – oder gejagt werden?«, hatte John gefragt. Er hatte seine Frage scherzhaft formuliert, aber Mara wusste, dass er die Gefahren von falscher Kleidung ernst nahm. Der Kunde – Direktor einer Minengesellschaft – hatte verlegen und erschreckt reagiert. Widerspruchslos hatte er Johns Hemd angezogen, obwohl er es über seinem dicken Bauch kaum zubekam.
»Machen Sie mir eine Liste«, sagte sie. »Ich bringe Ihnen alles, was Sie brauchen.«
Carlton blickte auf die Uhr. »Rudi arbeitet noch am Drehort, deshalb haben wir ein bisschen Zeit. Wenn Sie die Kleider vor dem Mittagessen bringen könnten, würde das reichen.«
Mara wandte sich zum Gehen, aber Leonard tippte ihr auf die Schulter. »Was für eine Größe hat Ihr Mann? Passen Peter seine Sachen?«
Mara blickte zu Boden und stieß mit der Stiefelspitze gegen die Grasklumpen. Es war eine einfache – und zu erwartende – Frage. Aber es war ihr peinlich, sich vorzustellen, wie Johns Körper mit dem des Schauspielers verglichen wurde.
»Nun, sehen Sie es einmal so«, warf Carlton taktvoll ein. »Sie haben doch gesagt, sie trügen ein altes Hemd von Ihrem Mann – also, für mich sieht es so aus, als würde es Peter passen. Wie groß ist Ihr Mann?«
Mara blickte auf. »Keine Sorge, die Kleidung wird passen.«
In der Diele roch es nach frischem Bohnerwachs, ganz leicht überdeckt vom Geruch nach gebratenen Zwiebeln, der aus der Küche drang. Mara blieb am Seitentisch stehen, um auf ihre Armbanduhr zu blicken. Sie hatte gerade eine Besprechung mit Kefa hinter sich, bei der sie überlegt hatten, wie sie mit den in der Stadt aufgewachsenen Somaliern umgehen sollten, die spät in der Nacht viel zu viel Lärm machten, und wie mit Tomba, der glaubte, dass er jetzt, wo er Bwana Tonangel war, mit dem Rest der Crew im Esszimmer essen dürfte. Davor hatte sie Menelik zugehört, der ein Mittagsmenü wie für den Prince of Wales vorbereitet hatte. Jetzt musste sie sich beeilen, um die Kleidungsstücke zusammenzusuchen, die Carlton von ihr haben wollte.
Auf dem Weg ins Schlafzimmer blieb sie draußen vor dem Wohnraum stehen. Nervös betrachtete sie die Tür und stellte sich vor, dass Rudi Wände und Möbel neu gestrichen und das kostbare afrikanische Holz für immer übertüncht hatte. Natürlich wusste sie, dass er das gar nicht durfte – aber für ihren eigenen Seelenfrieden öffnete sie doch die Tür und spähte hinein.
Es war ganz still. Niemand war im Zimmer. Verblichene Vorhänge waren vor den Fenstern zugezogen und ließen kaum Licht herein. Die Möbel waren gegen den Staub mit Leintüchern abgedeckt, die sogar über der Bildersammlung an der Wand hingen. Der Kaminsims war leer, und der Kamin mit Brettern vernagelt. Mitten auf dem Fußboden lag das Skelett eines toten Vogels. Ein paar getrocknete Hibiskus-Blütenblätter waren in der Nähe verstreut.
Mara verzog unbehaglich das Gesicht. Es kam ihr so vor, als werfe sie einen Blick in eine andere Zukunft: die Lodge, zugeschlossen und verlassen, nachdem sie und John weggegangen waren. Die Szene wirkte unglaublich real.
Eine plötzliche Bewegung erregte Maras Aufmerksamkeit. Es war Leonard, der neben dem Bambusvorhang stand. Er studierte das Zimmer, die Hände hinter dem schmalen Rücken verschränkt. Wie ein Priester, der Gebete spricht, schien er mit sich selbst zu murmeln. Langsam und leise schloss Mara die Tür und schlich sich davon.
Mara ging den Pfad zu Lillians Rondavel entlang. Sie trug fabrikneue Kleidung, und der Stoff fühlte sich steif und rauh an. Die Hose und das Hemd, die sie vorher getragen hatte, klemmten zusammengerollt unter ihrem Arm. Carlton hatte sie gebeten, sie Lillian persönlich zu bringen und ihr dann beim Ankleiden zu helfen. Die Schauspielerin war es nicht gewöhnt, sich allein zurechtzumachen.
Als Mara sich der Rundhütte näherte, kam ihr die Rolle, die sie spielen sollte, unwirklich vor. Es stimmte zwar, dass Lillian freundlicher und unkomplizierter schien als viele der anderen reichen Frauen, die hierhergekommen waren – bis jetzt hatte es nur die Einwände gegen ihren Sitzplatz und die Angelegenheit mit den Schälchen gegeben beim Essen. Aber sie war immerhin eine berühmte Schauspielerin, und unter anderen Umständen wäre Mara glücklich gewesen, wenn sie auch nur die Chance gehabt hätte, sie um ein Autogramm zu bitten.
Vor der Tür hielt Mara inne. Die Situation erinnerte sie an die Augenblicke, bevor ein Theaterstück begann: Das
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