Roter Hibiskus: Roman (German Edition)
Publikum wartete, es war still im Saal, und die Energie der Darsteller war durch den noch geschlossenen Vorhang bereits spürbar.
Zögernd klopfte sie.
»Wer ist da?«, rief Lillian.
»Ich bin es. Mara.«
Die Tür ging auf. Mara blickte sich rasch in dem kleinen Raum um. Sie konnte kaum glauben, dass sie sich in derselben hübschen, kleinen Rundhütte befand, die sie so sorgfältig für die Schauspielerin vorbereitet hatte: überall lagen Kleider herum, und das Bett war nicht gemacht. Das Moskitonetz war nicht aufgebaut, und auf dem Tisch stand noch das Frühstückstablett. Eines der mauvefarbenen Hochzeitshandtücher lag nass und zerknüllt auf dem Fußboden.
Lillian hatte sich hinter die Tür wie hinter einen Schutzschild zurückgezogen, als Mara eintrat. Ihr Gesicht sah blass aus – fast ausgebleicht. Mara fragte sich, ob es daran lag, dass die Vorhänge noch zugezogen waren und das Licht nur gedämpft ins Zimmer fiel, oder ob es eher etwas damit zu tun hatte, dass Lillian nicht ihren üblichen scharlachroten Lippenstift aufgelegt hatte.
Als Mara in der Hütte stand, sah sie, dass die Schauspielerin nur mit Unterwäsche bekleidet war. Unwillkürlich starrte sie auf die spitzenbesetzten roten French Knickers aus Seide.
»Das ist meine Glücksunterwäsche«, sagte Lillian. »Ich habe sie gerade erst gefunden. Gott sei Dank. Ich wollte schon Carlton Bescheid sagen.«
Mara schwieg verwirrt.
»Ich muss sie immer am ersten Tag der Dreharbeiten tragen – ich muss einfach.« Lillians ernste Stimme erinnerte Mara an den Tonfall, in dem John von den abergläubischen Überzeugungen der Jäger sprach, die meistens etwas mit dem Töten von Elefanten zu tun hatten – als ob irgendwie klar wäre, dass das die größte Sünde war. Bevor die Jagdgesellschaft aus dem Landrover stieg, ließ John die Kunden immer ihre Taschen umdrehen, um sicherzugehen, dass sie kein Geld bei sich trugen – ein Elefant, so erklärte er, kann nicht gekauft werden. Er warnte sie auch davor, Stachelschweinstacheln aufzuheben, die auf dem Boden lagen, weil sie dann nicht darauf hoffen konnten, einen guten Elefanten zu finden.
»Ich habe diese hier schon seit Jahren«, sagte Lillian. »Aber wenn ich nachgedacht hätte, dann hätte ich mir einfach mehrere Garnituren gekauft und sie jeden Tag getragen. Sie sind ideal für Afrika – kühl und leicht zu trocknen.«
Mara versuchte, nicht daran zu denken, wie die Hütten-Boys reagieren würden, wenn sie diese Wäsche waschen müssten. Sie würden überzeugt sein, dass Lillian eine Prostituierte war.
Mara reichte ihr die Kleider, die sie mitgebracht hatte. »Hier ist Ihre Garderobe.«
Lillian musterte die Hose und das Hemd und hielt sie prüfend in das schwache Licht, das durch die Vorhänge drang.
»Sie sehen ganz gut aus, nicht wahr? Suzie beherrscht ihr Handwerk – fleckige Stoffe, ausgefranste Manschetten …« Mara wollte nicht sagen, dass die Sachen ihr gehörten – und dass sie sie eben erst ausgezogen hatte. Ihr wäre es lieber gewesen, wenn sie den Schauspielern saubere Kleidungsstücke aus ihrer Kommode zum Filmen zur Verfügung hätte stellen können, aber Carlton hatte ihr mit Nachdruck klargemacht, dass Leonard genau das Hemd und die Hose haben wollte, die er an Mara gesehen hatte.
Lillian schien Maras Zögern zu bemerken. »Suzie hat sich immer um meine Garderobe gekümmert«, fuhr sie fort. »Sie hat ihre Sache gut gemacht – Carlton hat gesagt, sie könnte auch für den zweiten Teil des Drehs bleiben. Aber sie ist lieber nach Hause gefahren.« Beim letzten Satz klang sie fast verletzt. Mara musste plötzlich an ein Kind denken, das von seiner Freundin alleingelassen worden war. »Aber wir brauchen sie auch gar nicht, oder?« Lillian lächelte sie an.
»Nein«, stimmte Mara zu. »Wir brauchen sie nicht.« Sie blickte Lillian an und erwiderte ihr Lächeln. Ein warmes Gefühl, dazuzugehören und erwünscht zu sein, stieg in ihr auf.
»Zuerst das Make-up«, sagte Lillian. Sie griff nach ihrem Seidenkimono und zeigte auf den Tisch neben der Tür. Dort stand der kleine schwarze Koffer, der aussah wie eine Arzttasche.
Mara holte ihn, legte ihn auf den Frisiertisch und öffnete die Schnappschlösser. Ein pudriger Duft stieg auf, als sie den Deckel hob. In dem Koffer lagen zahlreiche Make-up-Utensilien, ordentlich in einzelnen Fächern verstaut. Es gab mindestens sieben Flaschen mit Grundierung in verschiedenen Farbtönen und die gleiche Anzahl von Puderdosen. Pinsel,
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