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Roter Hibiskus: Roman (German Edition)

Roter Hibiskus: Roman (German Edition)

Titel: Roter Hibiskus: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katherine Scholes
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zu geben. Es dauerte alles viel zu lange; Carlton hatte sie gebeten, die Schauspielerin so schnell wie möglich zum Set zu bringen.
    »Leute hauptsächlich«, sagte Lillian und schlüpfte aus ihrem Kimono. Sie ließ ihn achtlos zu Boden fallen und zog die Hose an. »Und Theo natürlich.« Sehnsüchtig blickte sie zu der gerahmten Fotografie ihres Schäferhundes. »Er ist ein besserer Mensch als die meisten, die ich kennengelernt habe …« Sie schwieg und blickte Mara an. »Sie begegnen ja wahrscheinlich auch allen möglichen Typen hier in der Lodge.«
    »Ja«, erwiderte Mara. »Manchmal lernen wir sie sogar sehr gut kennen.«
    Sehr gut.
    Rasch knöpfte sie das Hemd auf, um sich zu beschäftigen. Aber trotzdem stieg der Schmerz in ihr auf – und ihr wurde übel. Sie erinnerte sich an Matildas Stimme an jenem ersten Abend in der Lodge. Die einfachen, gewöhnlichen Sätze.
    Geben Sie mir bitte das Salz, John. Danke, John. Wie nett von Ihnen …
    Und das silberhelle Lachen. Den Kopf zurückgelegt, so dass die blonden Haare wie ein Wasserfall aus Mondschein über ihren Rücken rieselten.
    Mara zwang sich, an etwas anderes zu denken. Dieser Kanadier zum Beispiel, der darauf bestanden hatte, unter den Sternen zu schlafen. Sie klammerte sich an die Erinnerung an sein faltiges Gesicht und seine grauen Haare. Sie rief sich ins Gedächtnis, wie er vor der Safari ein paar Brocken Swahili gelernt hatte. Und wie er, statt mit den anderen Kunden am Feuer zu sitzen und Jägerlatein von sich zu geben, zum Feuer der Afrikaner gegangen war und Menelik gebeten hatte, ihm Legenden aus Äthiopien zu erzählen. Noch lange danach hatten die Afrikaner ihn in ihre Abendgesänge einbezogen. Der Safari-Chronist – tagsüber der Gewehrträger – gab ihm einen Namen. Rafiki Bilu Ubaguzi . Der Europäer, der sich nicht nur für europäische Dinge interessierte.
    Mara hielt das Hemd hoch, damit Lillian in die Ärmel schlüpfen konnte. »Aber dann reisen sie natürlich wieder ab«, sagte sie in leichtem Tonfall. »Und neue Leute kommen.«
    »Ich weiß, was Sie meinen«, erwiderte Lillian. »Bei Dreharbeiten ist es genauso. Schauspieler und Crew sind wie eine Familie. Man bedeutet einander sehr viel. Und dann …« Sie spreizte die Hände und schüttelte den Kopf. »Es ist erstaunlich. Eines Tages ist es vorbei, und man vergisst die anderen völlig.«
    Mara nickte langsam. Man vergisst die anderen völlig. Das klang so einfach und erinnerte sie an einen anderen Satz, den sie gut kannte: Ich muss vergeben und vergessen. Wie oft hatte sie sich das vorgesagt wie einen Zauberspruch. Ein einfacher Satz, und doch war es so schwierig, danach zu leben. Manchmal gelang es Mara, zu vergessen, und manchmal auch, zu vergeben, aber die beiden Dinge gleichzeitig zu tun erforderte eine Kraft, die sie einfach nicht zu besitzen schien.

    Im Esszimmer wimmelte es von Menschen und Geräten. Mara stand an der Seite und beobachtete, wie die beiden Nicks eine kleine Plattform auf Rädern über einen schmalen Schienenstrang schoben, der auf dem Boden verlegt worden war. Nicht weit von ihnen entfernt stand ein Stativ, auf dem oben eine riesige Kamera montiert war. Die Kombination sah wacklig aus – die Kamera wirkte viel zu groß und schwer für die dünnen Beinchen des Stativs. Tomba stand davor. Sie hatten ihn sich wahrscheinlich von Jamie ausgeborgt. Offensichtlich hatte man ihm die Aufgabe übertragen, die Kamera zu beschützen. Er hielt die Arme ausgestreckt und blickte sich ständig um, als drohten von allen Seiten Angriffe.
    Lillian saß auf einem der drei Segeltuchstühle, die neben der Tür zur Veranda aufgestellt waren. Mara wusste, dass auf jedem Stuhl hinten ein Name stand. Mr. Heath. Miss Lane. Mr. L. Miller. Irgendwo gab es sicher auch einen für Mr. C. Miller – aber vielleicht hatte Carlton auch nie die Chance, sich hinzusetzen; er war viel zu beschäftigt damit, Probleme zu lösen.
    Rudi trat neben Mara.
    »Und, wie finden Sie es?«, fragte er und machte eine weitausholende Geste zum Zimmer hin.
    »Es sieht außergewöhnlich aus – so verlassen und einsam«, erwiderte Mara. »Aber warum haben Sie sich so viel Mühe mit den Büchern und den anderen Sachen gemacht? Man sieht sie doch gar nicht.«
    Ein Schatten der Enttäuschung huschte über Rudis Gesicht. Dann zuckte er mit den Schultern. »Leonard hat sich den Drehort angeschaut, und dann hatte er die Idee, alles mit Leintüchern abzuhängen. Wir wollten ursprünglich nur ein oder zwei Tücher

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