Roter Hibiskus: Roman (German Edition)
Brauenkämme, Schwämme, verschiedene Maskaras, Wimpernzangen, Cold Cream, ein halbes Dutzend Lippenstifte. Und ein paar kleine Fläschchen mit einer roten Flüssigkeit, die aussah wie Blut.
Lillian nahm ein Notizbuch aus dem Koffer, schlug es auf und zeigte Mara das Diagramm eines Frauengesichts – Wangenknochen, Stirn, Augenlider, Nasenflügel – schattiert in unterschiedlichen Farben. Jeder Bereich war mit einem Zettel markiert, auf dem das Produkt verzeichnet war, das man benutzen sollte.
Lillian betrachtete das Diagramm und begann, Produkte aus dem Koffer zu nehmen und sie auf der Frisierkommode aufzureihen.
»Sie würden staunen«, sagte sie, »was man alles braucht, um einen natürlichen Look zu kreieren.« Stirnrunzelnd blickte sie in den Spiegel. »Wir brauchen mehr Licht.«
Mara zog die Vorhänge zurück. Sonnenlicht fiel in den Raum, und jetzt offenbarte sich das ganze Chaos. Lillian kramte in der Reisetasche, in der sich der Kochtopf befand. Sie zog den Rasierspiegel eines Mannes heraus und hielt ihn hoch.
»Für Notfälle«, sagte sie. Sie klang sehr zufrieden mit sich. Sie trat mit dem Spiegel ans Fenster und stellte ihn aufs Fensterbrett.
Als Lillian sich hingesetzt hatte, stellte Mara sich neben sie, bereit, ihr jeden einzelnen Gegenstand wie eine Krankenschwester im OP zu reichen. Lillian begann damit, dass sie mit einem kleinen Schwamm Grundierung über Gesicht und Hals verteilte. Die gleichmäßigen Bewegungen, mit denen sie die Schminke verteilte, faszinierten Mara. Fast hatte sie das Gefühl, den Schwamm auf der eigenen Haut zu spüren. Als Lillian mit der Grundierung fertig war, trug sie Lidschatten auf, zuerst einen Hautton, dann eine dunk-lere Farbe. Der Effekt war eher zurückhaltend – sie sah nicht so aus wie eine glamourös geschminkte Frau. Eher wirkte sie wie eine schönere Ausgabe ihrer selbst.
Erst als sie mit dem Schminken beinahe fertig war, stellte Mara fest, dass die beiden Hütten-Boys und Dudu durch das Fenster zuschauten. Sie blickte sie stirnrunzelnd an, um ihnen zu bedeuten, dass sie verschwinden sollten. Stattdessen nutzte Dudu die Gelegenheit, um zu sprechen. Er zeigte auf die Flasche mit der hellbraunen Grundierung, die Mara aufs Fensterbrett gestellt hatte.
»Sie macht Schlamm auf ihren Körper«, erklärte er. Mit dem Kopf wies er auf die Hütten-Boys. »Sie wollen wissen, ob du ein Tanzfest geben willst.« Er benutzte das Wort ngoma – das sich auf ein großes Stammestreffen bezog, das manchmal tagelang dauerte und bei dem getanzt und gegessen wurde. Die Krieger trugen dabei ihre traditionellen Gewänder und rieben sich die Haut dick mit rotem Ocker ein.
Bevor Mara antworten konnte, hielt Lillian, die gerade Maskara aufgetragen hatte, inne.
»Was hat er gesagt?«, fragte sie.
»Er will wissen, was Sie da machen«, antwortete Mara. »Es sind Jungen aus dem Dorf – sie haben hier noch nicht ge arbeitet und noch nie jemanden gesehen, der sich schminkt.«
Dudu trat einen Schritt näher. Er zeigte wieder auf die Hütten-Boys und sagte auf Swahili zu Mara: »Sie haben mir gesagt, in Tansania wäre es verboten, sich Lehm auf die Haut zu schmieren. Der Präsident mag das nicht. Er sagt, das tun nur Wilde.«
Mara blickte die Hütten-Boys erstaunt an. »Wer hat euch das denn erzählt?«
»Bwana Daudi«, antwortete einer von ihnen. »Er hat uns auch gesagt, dass wir nicht Hütten-Boys bleiben. Der Präsident wird in jedem Dorf eine Schule bauen. Wir werden lesen und schreiben lernen und auf unseren eigenen Füßen stehen, ohne dass wir die europäischen Bwanas brauchen.«
Er blickte Mara eindringlich an, als wartete er darauf, dass sie diese Aussage bestätigte.
Mara zögerte. Alles, was sie jetzt sagte, kam höchstwahrscheinlich Daudi und möglicherweise auch Kabeya zu Ohren.
»Ihr seid ausgezeichnete Hütten-Boys«, sagte sie vorsichtig. »Und ihr werdet auch ausgezeichnete Schüler sein.«
Lillian runzelte ungeduldig die Stirn. »Und worüber reden sie jetzt?«
»Sie haben die Hoffnung, zur Schule gehen zu können«, erwiderte Mara.
Lillian trug weiter Maskara auf. »Sprechen Sie mit Carlton«, sagte sie. »Er kann alles arrangieren.« Sie ergriff den Spiegel und musterte sich prüfend. Dann nickte sie zustimmend. »Genauso hat Wanda, die Visagistin, es gemacht.« Sie warf Mara einen Blick zu. »Ich bin selbst Künstlerin, müssen Sie wissen. Ich zeichne.«
»Was zeichnen Sie denn?«, fragte Mara. Sie trat ans Bett und ergriff die Hose, um sie Lillian
Weitere Kostenlose Bücher