Roter Hibiskus: Roman (German Edition)
zeigte auf die Flamingos. »Erzählen Sie mir etwas über diese Vögel.«
»Nun, ihre rosa Farbe stammt von den Algen, die sie essen«, sagte Mara. »In Gefangenschaft wird ein Flamingo fast weiß. Und die Jungvögel sind reinweiß, bis sie anfangen, selbst zu fressen.« Sie zeigte auf den Vogel, der ihnen am nächsten war. Er hatte den Kopf zum Wasser gesenkt, um zu fressen. »Sehen Sie, wie sie essen? Sie halten den Kopf so, dass die obere Schnabelhälfte auf dem Wasser liegt, damit sie die Algen herausfiltern können.«
Peter blickte sie beeindruckt an. »Woher wissen Sie das alles?«, fragte er.
»Von meinem Mann«, antwortete Mara. »John weiß alles über die Gegend hier – über die Pflanzen, die Insekten, die Tiere …« Sie brach ab. Plötzlich stieg Unbehagen in ihr auf. Was würde John wohl denken, wenn er hier wäre? Er würde natürlich verstehen, warum Mara die Filmleute auf Raynor Lodge filmen ließ und warum sie alles tat, um ihnen zu helfen, damit sie ihre Arbeit erfolgreich zu Ende bringen konnten. Aber er würde wohl kaum besonders glücklich darüber sein, dass ein anderer Mann sie auf diese Art und Weise anfasste – und er wäre wohl kaum damit einverstanden, dass sie es zuließ.
Aber was konnte er eigentlich dagegen haben? Er hatte ja schließlich viel, viel mehr getan.
»Ja, es ist wirklich schade, dass er nicht hier ist«, sagte Peter. »Ich würde ihn gerne kennenlernen. Ich habe Fotos von ihm im Esszimmer gesehen.«
Mara blickte ihn an. Er wirkte völlig entspannt. Und er erwähnte ihren Mann absolut ruhig und sachlich – es war klar, dass er nicht glaubte, etwas zu verbergen zu haben. Mara überlegte erneut, wie John auf diese Szene reagieren würde. Ihre Vorstellungen begannen sich zu ändern – sie brachen auf wie ein Bild in einem Kaleidoskop und nahmen eine neue Form an. Nein, John würde billigen, was hier passierte, genau wie alle anderen: wie Carlton, wie Daudi, wie Leonard, wie Kabeya; sogar der Präsident höchstpersönlich.
Peter ergriff eine Handvoll Kieselsteine und gab sie Mara. Dann sammelte er einen kleinen Haufen für sich selbst.
»Sehen Sie diesen toten Baumstamm da?« Er wies auf einen sonnengebleichten Stamm, der weit weg von den Vögeln aus dem Wasser ragte. Er schleuderte einen Stein darauf zu. »Wer ihn als Erster trifft, bekommt einen Preis.«
Mara beobachtete ihn, als er einen zweiten Stein warf, und lächelte in sich hinein. Peter wusste nicht, dass sie sechs Brüder hatte. Sie hatte stundenlang Steine auf irgendwelche Ziele auf der Farm geworfen, und sie war so gut darin wie jeder Mann. Deshalb hatte sie auch so schnell und gut schießen gelernt. Sie stand auf, um besser zielen zu können.
Jeder Stein, den sie warf, traf näher an den Stamm.
»Hey, das haben Sie aber schon mal gemacht«, sagte Peter.
Sie hörte die Überraschung in seiner Stimme. »O ja«, erwiderte sie und schleuderte einen weiteren Stein in einem Bogen übers Wasser. »Schon öfter.« Aus den Augenwinkeln sah sie, dass Peter sie beobachtete.
»Nun, ich auch«, sagte er. Er hockte sich hin, holte zur Seite aus und warf den Stein niedrig. Sein Gesicht nahm einen ernsten, aufmerksamen Ausdruck an.
Mara lachte. »Ich gewinne bestimmt«, neckte sie ihn. Sie hatte den Satz noch nicht ganz zu Ende gesprochen, als der Stein, den sie gerade geworfen hatte, mit einem dumpfen Geräusch mitten auf dem Baumstamm landete.
Peter warf in gespielter Verzweiflung die Hände hoch und schüttelte verwundert den Kopf. »Na, Sie haben aber einen scharfen Blick!«
Mara grinste triumphierend. »Was ist mein Preis?«, fragte sie. Sie erwiderte seinen lachenden Blick, und seine Bewunderung löste etwas in ihr. Sie fühlte sich auf einmal leicht und sorglos.
»Ich bin mir nicht sicher«, sagte Peter. »Ich muss mal darüber nachdenken.«
In diesem Moment ertönte Leonards Stimme und holte sie wieder in die Realität zurück. »Und Schnitt! Phantastisch, ihr beiden. Das war großartig – wundervoll!«
Mara blickte aufmerksam nach vorn, während sie den alten Landrover über das Gelände steuerte. Es gab hier keine Piste, und sie musste den Löchern der Honigdachse und den Termitenhügeln ausweichen. Die beiden Landrover vom Manyala Hotel waren schon etwas früher aufgebrochen und bereits außer Sicht im nächsten Tal, aber es gab kleine Hinweise darauf, wo sie gefahren waren: ein zerdrückter Busch ab und zu oder ein flach gepresster Dunghaufen.
Ihr einziger Mitfahrer war Peter. Er hatte am See
Weitere Kostenlose Bücher