Roter Hibiskus: Roman (German Edition)
bei ihm in Sicherheit befand, trug der beunruhigende Gedanke zu Maras Unbehagen bei. Auf was hatte sie sich da nur eingelassen!
Peter begann auf das Kalb zuzugehen. Mara ging ein paar Schritte hinter ihm her, blieb dann jedoch zögernd stehen. Das harte Metall des Gewehrlaufs drückte gegen ihren Rücken. Natürlich sollte sie das Gewehr mitnehmen, aber wenn es voller Schlamm würde, wäre das genauso schlimm, wie Rudis Kleidung zu beschädigen. Sie konnte es noch so gründlich reinigen, wenn sie nach Hause kam, John würde die verräterischen Schlammspuren später auf jeden Fall entdecken. Erneut schaute sie sich prüfend um. Sie sah immer noch kein Zeichen von Gefahr – also zog sie den Gewehrgurt über den Kopf und legte die Waffe hinter sich auf den Boden.
Zuerst kamen sie leicht voran, aber dann brach Peter mit dem Stiefel ein. Kurz darauf passierte Mara das Gleiche. Sie unterdrückte einen Schrei, als ihr Bein bis zum Knie in dem weichen Matsch versank. Ein scharfer, fauliger Geruch stieg auf. Um ihr Gleichgewicht kämpfend, machte sie noch einen Schritt. Als sie das Bein herauszog, war es schwarz, wie mit Teer bestrichen.
»Alles okay?«, rief Peter.
»Ja«, erwiderte Mara.
Beim Geräusch ihrer Stimmen rollte das Kalb mit den Augen und stieß ein leises, verzweifeltes Stöhnen aus; es begann schwach zu zappeln. Mara wusste, dass das arme Geschöpf Angst hatte. Wenn sie versuchten, es herauszuholen, würde es sich voller Panik wehren.
Mara watete an eine Seite des Tieres und Peter an die andere. Sie versuchten, die dünnen Beinchen des Kalbs freizubekommen und schaufelten den Schlamm mit den Händen weg. Bald waren sie beide schwarz bis an die Schultern, und ihre Kleider klebten ihnen am Leib.
Schweigend gruben sie weiter. Mara brach der Schweiß aus.
»Es nützt nichts«, sagte Peter schließlich. »Wir machen überhaupt keine Fortschritte.«
Das Kalb jammerte leise. Es hatte sicher auch Durst, die graue Zunge hing ihm schlaff aus dem Maul. Mara blickte zu ihrem Gewehr, das am Ufer lag. Sie glaubte nicht, dass sie es fertigbrächte, den Gewehrlauf an den Kopf des Tieres zu halten und abzudrücken. Andererseits wäre es noch schlimmer, das Tier lebendig und gefangen der sengenden Sonne auszusetzen. Sie stellte sich vor, wie es den ganzen nächsten Tag und vielleicht auch noch den Tag darauf leiden würde, bis es dann schließlich hier ganz allein sterben würde.
»Es ist doch noch ein Baby …« Plötzlich kam Mara eine Idee. »So viel kann es doch gar nicht wiegen. Kommen Sie, wir versuchen es herauszuheben. Wir nehmen uns unter dem Tier an den Händen.«
Peter nickte und begann, den Schlamm unter dem Bauch des Kalbs wegzuschaufeln.
Mara folgte seinem Beispiel. Als sie ihren Kopf an die Schulter des kleinen Tieres drückte, spürte sie die Hitze seines Körpers durch ihre Haare.
Es dauerte nicht lange, und ihre Finger trafen auf Peters. Sie packten sich an den Händen.
»Okay, auf drei«, sagte Peter. »Eins – zwei – drei.«
Die Oberkörper zurückgebogen, versuchten sie, das Kalb herauszuheben. Es grunzte und wand sich vor Angst, reckte den Hals, um sie mit seinen Hörnern zu erreichen. Mara und Peter gaben nicht auf. Sie blickten einander in die Augen, als könnten sie sich dadurch gegenseitig Kraft geben, aber es half nichts. Der Schlamm gab seine Beute nicht frei.
Nach einer Weile gaben sie auf. Sie hielten sich zwar noch an den Händen, lockerten aber ihre Muskeln.
»Vielleicht sollten wir es mit einem Seil versuchen«, schlug Mara vor. »Wir könnten es vielleicht mit dem Landrover herausziehen.«
»Versuchen wir es noch einmal«, entgegnete Peter. »Okay, also, noch einmal«, keuchte er. »Eins – zwei – drei.«
Als sie das Tier dieses Mal anhoben, ertönte ein schwaches, saugendes Geräusch, und der Körper des Kalbs hob sich leicht. Erneut versuchten sie es, und wieder hatten sie Erfolg. Schließlich gab der Schlamm mit einem Zischen das Büffelkalb frei. Es fiel auf die Seite und strampelte mit den Beinen.
Ein paar Sekunden lang starrten Mara und Peter sich einfach nur erleichtert an. Dann betrachtete Peter das schlammbedeckte kleine Tier. »Du kleine Schönheit!«, sagte er leise.
Mara blickte ihn an. Zum ersten Mal hatte sie an seinem Akzent gehört, dass er aus Australien kam. Sie lächelte, als er sich über das Kalb beugte und ihm auf die Seite klopfte. Das Kälbchen begann panisch zu blöken, als ob es spürte, dass Rettung nahte. Die verzweifelten Laute schienen
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