Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Roter Hibiskus: Roman (German Edition)

Roter Hibiskus: Roman (German Edition)

Titel: Roter Hibiskus: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katherine Scholes
Vom Netzwerk:
noch fotografiert, und da die anderen zurückwollten, um die Geräte zu säubern und den Papierkram zu erledigen, der jeden Tag nach den Dreharbeiten anfiel, hatte sie angeboten, auf ihn zu warten. Jetzt lehnte er sich aus dem Fenster auf der Beifahrerseite und dirigierte sie über die Savanne, indem er ab und zu eine Hand hob und einfach sagte, »hier entlang« oder »dort entlang«. Er schien instinktiv zu verstehen, dass jeder im Wagen mitmachen musste, wenn man durch so unwegsames Gelände fuhr. Mara vermutete, dass er sich sogar auf den Ersatzreifen oder auf die vordere Stoßstange gestellt hätte, wenn die Bedingungen noch schwieriger gewesen wären.
    Das Licht des Spätnachmittags tauchte das Land in intensive Farben – der Himmel war violett, die Erde tiefrot, mit einer dünnen Schicht von Gras wie aus gesponnenem Gold bedeckt. Bäume und Büsche begannen in den Hintergrund zu treten. Die Vögel saßen wie weiße Farbspritzer auf den Ästen und leuchteten, als wären sie von hinten angestrahlt. Mara warf Peter einen Blick zu. Sie sah ihm an, dass er von der Schönheit der Landschaft ergriffen war, und Stolz stieg in ihr auf, als ob sie allein dafür verantwortlich wäre.
    »Das erinnert mich an zu Hause«, sagte Peter. »An Australien, meine ich …«
    Mara nickte. Sie empfand Sehnsucht bei seinen Worten. Die Landschaften Tansanias weckten bei ihr oft Erinnerungen an Tasmanien – vor allem die Gegend um den Coal River. Sogar die Namen der beiden Länder waren miteinander verbunden. Tansania und Tasmanien klangen ähnlich, und viele Leute auf der Welt glaubten, es wäre dasselbe Land. In ihrer ersten Zeit in Afrika hatte Mara diese Verbindung genossen, denn sie hatte ihr dabei geholfen, sich hier heimisch zu fühlen. Aber mittlerweile fand sie es immer schmerzlicher, an ihr ehemaliges Zuhause zu denken – sie hatte ihre Heimat mit so großen Hoffnungen in die Zukunft verlassen. Sie schrieb nur noch selten an ihre Mutter, und die Briefe wurden immer kürzer. Die Wahrheit über ihr Leben hier wollte sie niemandem mitteilen.
    »Wie lange sind Sie schon hier?«, fragte Peter.
    »Ein bisschen mehr als drei Jahre.«
    »Waren Sie schon mal wieder drüben auf Besuch?«
    Mara schüttelte den Kopf.
    »Sie vermissen bestimmt Ihre Familie. Haben Sie Geschwister?«
    »Nur Brüder«, erwiderte Mara. »Aber davon eine ganze Menge.« Sie schwieg. Ein Kloß bildete sich in ihrem Hals. Am liebsten hätte sie Peter erzählt, dass sie ihr schrecklich fehlten, obwohl sie früher am liebsten so weit wie möglich wegwollte.
    »Ich bin ein Einzelkind«, sagte Peter. »Deshalb wollte ich immer eine große Familie haben. Aber ich hatte eine glückliche Kindheit. Wir hatten ein Haus direkt am Strand in Bondi. Ich lebte praktisch in der Brandung – vor der Schule, nach der Schule, während der Schule. Deshalb bin ich auch Schauspieler geworden. Ich habe keinen anderen Job gefunden.« Er lächelte, aber dann wurde er ernst. »Ich würde eigentlich gerne wieder nach Australien ziehen. Ich würde es gerne den Kindern zeigen. Aber Paula will Amerika nicht verlassen, und wahrscheinlich ist es wichtiger, dort zu leben, wo sie gerne sein möchte, schließlich bin ich häufig unterwegs.«
    Mara wusste nicht so recht, was sie erwidern sollte – die Unterhaltung war auf einmal sehr persönlich geworden. Sie waren sich vorgekommen wie alte Freunde, allein im Landrover, nach der Arbeit des Tages. Aber sie waren keine alten Freunde, dachte Mara. Er war Peter Heath, und sie war nur die Safari-Gastgeberin, die ihn vom Drehort nach Hause fuhr.
    Mara verringerte das Tempo und fuhr um ein eingetrocknetes Flussbett herum. Ein schmales Band aus dunkler Erde war der einzige Hinweis darauf, aber sie wusste, dass sich unter der trockenen Oberfläche tiefer, nasser Schlamm befand. Der Landrover würde die feste Kruste durchbrechen und bis zu den Achsen einsinken. Sie riss das Lenkrad herum, um auf den höher gelegenen festen Boden zu gelangen. »Warten Sie! Stopp!«, rief Peter.
    Er klang so drängend, dass Mara sofort auf die Bremse trat.
    »Was ist das dort drüben?« Peter zeigte das Flussbett entlang zu der Stelle, wo sich ein breites, schlammiges Becken befand – alles, was von der Regenzeit noch übrig geblieben war – und hob das Fernglas an die Augen. »Es ist ein Tier – es steckt im Schlamm fest. Es sieht aus wie ein junger Büffel.« Er schwieg und beugte sich weiter aus dem Fenster. »Es hat gerade den Kopf bewegt!«, rief er. »Es lebt

Weitere Kostenlose Bücher