Roter Hibiskus: Roman (German Edition)
noch! Wir müssen etwas tun!« Er schwang den Arm. »Wenn Sie hier wenden, können wir bis zu ihm heranfahren. Der Boden sieht fest aus.«
Mara ließ den Motor im Leerlauf laufen. Sie kannte die Regel: In einer solchen Situation musste man ein wildes Tier seinem Schicksal überlassen.
Peter senkte das Fernglas und wandte sich Mara zu. »Es muss doch einen Weg geben, es herauszuholen.«
Mara hob die Hand über den Schaltknüppel und musterte die offene Savanne. Die einzigen Tiere, die zu sehen waren, waren Thomson-Gazellen. Sie grasten entspannt, wobei ihre Schwänze ständig von einer Seite auf die andere zuckten. Kein Büffel war zu sehen. Eine Welle der Erleichterung überflutete sie. Büffel gehörten zu den gefährlichsten Tieren im Busch. Eine Herde konnte wie aus dem Nichts auftauchen und eine Jagdgesellschaft oder Touristen einkreisen. Für gewöhnlich standen sie nur bedrohlich still da, aber wenn sie gereizt wurden, waren sie mörderisch – und das harte Blech eines Landrovers bot nur eine Zeitlang Schutz vor ihren Attacken.
»Die Herde ist weitergezogen«, sagte Peter, als ob er ihre Gedanken lesen könnte. »Sie haben es zurückgelassen.«
Mara nickte. »Sie hätten auch nicht viel tun können, wenn sie geblieben wären. Sie haben schließlich keine Rüssel wie Elefanten, um das Kalb herauszuziehen.«
»Dann kommen Sie«, sagte Peter ungeduldig. »Wir fahren hin.«
Mara wandte den Blick ab. Im Kopf hörte sie Johns Stimme – ruhig, sicher und vernünftig. Lass es. Die Herde ist weg. Es wird sowieso sterben.
Als sie Peter wieder anblickte, sah sie ihm an, dass er erriet, warum sie zögerte. Schock und Zorn spiegelten sich in seinem Blick. Wieder wusste Mara genau, was John gesagt hätte. Du musst in der Lage sein, harte Entscheidungen zu treffen. Afrika ist nichts für Schwächlinge.
Mara blickte Peter an. Er hatte die Augen zusammengekniffen wie jemand, der Schmerzen hat. Sie wusste genau, wie sich dieser Gesichtsausdruck anfühlte – wenn sich jeder Muskel anspannte und die Haut sich in Falten legte. Der Anblick war ihr so vertraut, als würde sie in den Spiegel blicken.
Und plötzlich traf sie ihre Entscheidung. Schweigend legte sie den Gang ein und ließ die Kupplung kommen. Langsam holperte das Fahrzeug auf den eingetrockneten See zu.
In sicherer Entfernung vom Ufer hielt sie an. Sie stiegen aus dem Landrover. Mara nahm das schwere Gewehr aus der Halterung, lud und sicherte es. Sie hängte es sich über die Schulter und ging mit Peter an den Rand der Schlammpfanne.
Das gestrandete Tier war noch sehr jung und etwa so groß wie ein neugeborenes Fohlen. Es war mit Schlamm bedeckt, so dass Mara es kaum als Büffelkalb erkannt hätte, wenn nicht die Hörner gewesen wären – zwar noch kaum ausgebildet, aber trotzdem schon in der offenen, gebogenen Form. Wie es sie anstarrte, den Kopf schräg gelegt, sah es süß und beinahe komisch aus, wie aus einem Bilderbuch.
Mara schätzte ab, wie weit sie durch den Schlamm waten mussten, um das Kalb zu befreien. Sie würden aufpassen müssen, dass sie nicht ebenfalls steckenblieben. Misstrauisch blickte sie auf den dunklen Schlamm und überlegte, welche Gefahren ihnen drohen könnten. Sie war froh, dass hier kein Schilf wuchs, in dem die Schnecken lebten, die den Bilharzia-Parasiten übertrugen.
Peter zeigte auf die Hufabdrücke im Schlamm. »Sie können sich ja denken, was hier passiert ist«, sagte er. »Die Herde ist hier heruntergaloppiert, weil sie ans Wasser wollte, und dann geriet sie auf einmal in den Schlamm. Die erwachsenen Tiere waren stark genug, um sich selbst zu befreien, aber das Kleine hier ist nicht mehr herausgekommen.«
Mara warf ihm einen neugierigen Blick zu. Er hatte eine praktische Art, als wäre er wie sie auf einer Farm aufgewachsen und nicht am Strand. Vielleicht lehrte das Meer einen ja ähnliche Dinge wie das Land …
Peter betrachtete das Kalb. »Wenn jeder von uns an eine Seite geht«, sagte er, könnten wir es vielleicht mit unseren Händen ausgraben. Aber zuerst einmal müssen wir zu ihm hinkommen.« Er blickte an seiner Kleidung hinunter. »Zum Glück hat Rudi uns gesagt, wir sollen uns umziehen«, meinte er. »Es würde ihm bestimmt nicht gefallen, wenn unsere Kleider für den Film voller Schlamm wären.« Allein der Gedanke entsetzte Mara. Rudi hatte ihr mehr als ein Mal erklärt, dass die Garderobe sehr kostbar wäre – eigent lich sogar unersetzlich –, wenn sie gefilmt worden war. Und obwohl die Kleidung sich
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