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Roter Hibiskus: Roman (German Edition)

Roter Hibiskus: Roman (German Edition)

Titel: Roter Hibiskus: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katherine Scholes
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als er den Hauptraum für die Dreharbeiten vorbereitet hatte. Als er fertig war, trat er einen Schritt zurück und musterte sein Werk mit zusammengekniffenen Augen. In diesem Moment war Mara klargeworden, dass das Färben ihrer Haare für Rudi etwas völlig Unpersönliches war. Sie war nur eine seiner Requisiten. Sie fand es seltsam befreiend, so gesehen zu werden. Irgendwie schien das Gefühl, unwichtig zu sein, all ihre Ängste und Sorgen zu verringern.
    Mara hob die Hand, um ihre Augen vor der Sonne abzuschirmen, und spähte über das Flussbett. Die beiden Nicks richteten noch die Kameras aus, während Leonard geduldig wartete. Jamie schützte sich mit einem schwarzen Regenschirm vor der Sonne, den Kopf über eine Zeitung gebeugt. Tomba stand wie eine große, dunkle Statue neben ihm, die Tonangel über die Schulter gelegt.
    Dort, wo sich die Crew aufhielt, war ein wenig Schatten, aber am Hügel brannte die Sonne unerbittlich. Wie ein heißes Eisen drückte die Glut auf Maras Schultern. Schweiß lief ihr über den Rücken und sammelte sich zwischen ihren Brüsten. Eine Fliege setzte sich auf ihre Wange. Sie spürte, wie sie über ihre Haut krabbelte und an den Schweißtropfen saugte, aber sie machte sich nicht die Mühe, sie zu verscheuchen. Stattdessen tat sie so, als gehörten die Haut und der Schweiß nicht zu ihr. Warum sollte es ihr etwas ausmachen, dass ihr heiß war, dass sie sich schmutzig und unwohl fühlte? Ihr Körper war doch nur ein Klumpen Fleisch, den sie diesem Unbehagen ausgesetzt hatte, während sie, Mara, an einem kühlen, fernen Ort, an dem sie nichts fühlte, Zuflucht gefunden hatte.
    Diese Fähigkeit hatte sie auf der Jagd mit John entwickelt, als sie endlos lange warten musste und dabei keinen Muskel bewegen durfte, bis der Fährtenleser das Signal gab. Sie hatte gelernt, dass sie den verkrampften Muskeln, dem Durst, der Hitze und den Stichen der Insekten entgehen konnte, indem sie sich bewusst aus ihrem Körper löste.
    Und dann hatte sie entdeckt, dass sie diese Methode auch in anderen Situationen einsetzen konnte. Während des Fährtenlesens und sogar, wenn die tödlichen Schüsse schließlich abgefeuert wurden, konnte sie sich immer noch aus der Distanz beobachten. Es war nicht Mara, die dabeistand, wenn die Tiere schwankten und zu Boden stürzten, sondern es war eine Fremde, die zuschaute.
    Der mächtige Bauch eines Elefanten, der auf der Erde lag wie ein kleiner Berg. Schwarze Arme, die lange Messer schwangen und den Bauch aufschnitten. Eine Masse von Gedärm rutschte heraus – unvorstellbar lange Würste, dreißig Zentimeter im Durchmesser. Ein wachsender Haufen, der sich wand und aufeinandertürmte, als sei er lebendig. Blasse Membranen, die in der Sonne in Opalfarben schimmerten.
    Auf einer Seite des grauen Berges lag der lange Rüssel leblos im Staub. Schlaff. Atemlos.
    Die Luft war erfüllt von afrikanischen Stimmen, die jubelnd von Fleisch sangen, rotem Fleisch, so viel sie essen konnten.
    Und während die Fremde zuschaute, beobachtete die Frau des Jägers sich von weitem – abgeschnitten, in Sicherheit. Unschuldig.
    Rückblickend kam es Mara beinahe so vor, als ob sie irgendwie gewusst hätte, dass diese Fähigkeit sich eines Tages für sie als lebenswichtig erweisen würde, genauso wertvoll wie das Wissen, wie man einen Schlangenbiss vermied oder wie man an einem Löwen auf der Jagd vorbeikam, indem man ihm nicht in die Augen blickte. Wie hätte sie sonst die Qual überleben können, die sie nach der Entdeckung von Matildas Umschlag empfunden hatte? Als aus Tagen Wochen und dann Monate wurden, hatte sie sich vor ihrer Verzweiflung in die Distanz geflüchtet, um sich John gegenüber nichts anmerken lassen. Aber jedes Heilmittel hatte seinen Preis, hatte sie erfahren müssen. Der Körper, den sie beliebig verlassen konnte, schien mittlerweile dauerhaft für sie verloren. Wenn John sie berührte – mit den Händen, die eine andere Frau geliebt hatten –, kam sie sich vor wie eine Puppe aus Holz. Trocken und tot.
    Mara verkrampfte sich, als ihr plötzlich die Nacht einfiel, bevor John nach Dar aufgebrochen war. Sie war wie immer früh zu Bett gegangen, aber als John ins Schlafzimmer gekommen war, hatte er ignoriert, dass sie so getan hatte, als würde sie schlafen. Er hatte sie an der Schulter gepackt und zu sich herumgedreht. Dann hatte er sich auf sie gelegt und mit dem Knie ihre Beine auseinandergedrückt. Sie hatten kein Wort gewechselt, sich nicht geküsst. Als er in sie

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