Roter Hibiskus: Roman (German Edition)
eingedrungen war, hatte er sein Gesicht ins Kissen gepresst. Es hatte nichts mit Liebe zu tun gehabt, nur mit Inbesitznahme. Und es war schnell vorüber gewesen. Danach hatten sie nicht gesprochen und sich nicht berührt.
Mara schob die Erinnerung beiseite und blickte auf Leonards Gestalt in seiner roten Latzhose. Schließlich ertönte seine Stimme, flach und mechanisch durch das Megaphon. Sie konzentrierte sich darauf, all seine Anweisungen zu befolgen. Sie ging vor und zurück, wie er es ihr sagte – blieb stehen, machte einen Schritt, wartete; und dann wiederholte sie alles noch einmal. Schließlich entkam sie ihren eigenen Gedanken und Emotionen, und es gelang ihr, die Szene als interessierter Beobachter zu sehen.
Die ständigen Wiederholungen beim Drehen nahmen sie gefangen. Als sie am Tag zuvor hier draußen gewesen waren, hatte Maggie fast das Gleiche wie jetzt gemacht, nur war die Kamera direkt neben der Stelle, die durch den roten Stein markiert war, aufgebaut worden. Maras Aufgabe war es gewesen, Lillian zu vertreten, Probeläufe der Szene zu machen, damit die Crew genau sehen konnte, was die Schauspielerin tun würde, wenn die wirkliche Aufnahme begann. Sie hatten sich um Mara geschart, und Nick, der Kameraassistent, hatte mit einem Maßband die Strecke für den Text abgemessen. Tomba hatte ihre Bewegungen mit dem Mikrophon verfolgt, während Jamie zustimmend oder missbilligend gegrunzt hatte.
Währenddessen hatte Lillian im Schatten eines großen Sonnenschirms, über den ein Stück Segeltuch gebreitet worden war, gelegen. Mara hatte darauf bestanden, dass Rudi den rot-blau gestreiften Schirm abdeckte, und hatte erklärt, es sei schon riskant genug, dass die Hälfte der Crew in helle Farben gekleidet sei. Auf dem kleinen Tisch neben Lillian lagen Skizzenblock und Bleistift, Insektenschutzmittel und eine Thermosflasche. Während der Teepause am Vormittag hatte Mara gehört, wie Lillian Carlton erklärte, die Flasche enthielte Eiswasser, aber Mara war sich ziemlich sicher, dass das nicht der Fall war. Seit ihrer Ankunft auf Raynor Lodge hatte Lillian auf Kefa eingeredet, damit er begriff, wie sehr sie ihre dawa brauchte – sie machte sich nicht einmal mehr die Mühe, sie »Gin Tonic« zu nennen. Mara hatte sich gefragt, ob Carlton eigentlich wusste, wie viel Lillian trank, und ob es in ihrer Verantwortung als Safari-Gastgeberin lag, mit ihm darüber zu sprechen. Aber es wäre Verrat an Lillian, wenn sie es täte. Und außerdem schien der Alkohol die Fähigkeiten der Schauspielerin in keinster Weise zu beeinträchtigen. Als Lillian schließlich mit Mara die Plätze getauscht hatte, hatte sie mit makel-loser Präzision gespielt.
Mara hatte sich auf Lillians Stuhl unter den Sonnenschirm gesetzt und zugeschaut. Zuerst war es eigenartig gewesen, jemanden zu sehen, der sich in ihren Kleidern durch eine Landschaft bewegte, die sie so gut kannte, und eine Szene spielte, die sie selbst gerade erst gespielt hatte. Nach einer Weile sah Mara, dass auch noch eine andere Komponente zu diesem Eindruck von Vertrautheit hinzukam. Sie begann ihre eigenen kleinen Angewohnheiten zu erkennen: wie Lillian ab und zu ihren Hut hochschob, um Luft unter die Krempe zu lassen, wie sie sich mit der Innenseite ihres Hemdärmels den Schweiß von der Stirn wischte, damit man den Schmutz nicht sah. (Bei Lillian war es natürlich kein echter Schweiß, sondern Tropfen einer Spezialflüssigkeit, die Rudi ihr ins Gesicht sprühte, bevor sie ihren Platz vor der Kamera einnahm.) Mara fand es einerseits beunruhigend, als Modell für Lillian agieren zu müssen – aber es war zugleich auch schmeichelhaft.
Binnen kurzem war es zur Gewohnheit geworden, die Plätze zu tauschen. Manchmal schien Lillian es für selbstverständlich zu halten, dass es Maras Aufgabe war, ihr Schutz vor der Sonne zu bieten – aber häufig war sie aufrichtig dankbar. In diesen Momenten fühlte Mara sich edel und stark wie jemand, der an einer Rettungsaktion beteiligt war. Und auch nachdem Lillian wieder ans Set zurückgekehrt war und ihren Platz vor der Kamera eingenommen hatte, hielt das Gefühl vor. Selbstbewusst ließ sich Mara auf Lillians Stuhl nieder – dem Stuhl mit der Aufschrift Miss Lane auf der Rückenlehne. Sie ertappte sich sogar dabei, wie sie die Sachen der Schauspielerin berührte – den Skizzenblock, die Thermosflasche, ein Taschentuch, eine Haarbürste –, als ob sie ihr gehörten.
Mara ging an der Seite des Hügels entlang und trat in den
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