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Roter Hibiskus: Roman (German Edition)

Roter Hibiskus: Roman (German Edition)

Titel: Roter Hibiskus: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katherine Scholes
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Benommen blickte sie auf ihre Schuhspitzen.
    »Sehen Sie sich das an«, sagte Peter und hielt ihr eine Holzplatte hin. Sie war ungefähr so groß wie ein großer Briefumschlag. Die Kanten waren mit einem Fries aus Baobab-Bäumen und Tieren dekoriert. In der Mitte stand ein einzelnes Wort in geschwungenen Buchstaben: Karibu . »Was bedeutet das?«
    Mara zwang sich, sich darauf zu konzentrieren. »Es ist eine Art Begrüßung«, erklärte sie. »Wenn man zu jemandem an die Hütte kommt, ruft man Hodi! Es bedeutet: Ich bin hier! Die Antwort ist Karibu! Das lässt sich am besten mit: Komm näher. Du bist willkommen übersetzen.« Ihre eigene Stimme hörte sich für Mara dünn und angestrengt an, aber Peter schien nichts zu bemerken. »Die Schilder werden gerne von Europäern gekauft, um sie an die Haustüren zu hängen.«
    Kefa ergriff eine andere Plakette, auf der das Wort Nyumbani stand. »Das bedeutet ›unser Zuhause‹«, sagte er. »Aber Sie können auch selbst Wörter aussuchen. Der Schnitzer führt alles aus, was Sie ihm sagen.«
    »Ich kaufe eines für die Tür zum Spielzimmer der Kinder«, sagte Peter. »Mit Vögeln und Tieren an den Kanten.« Er wandte sich an Mara. »Was meinen Sie?«
    Mara nickte stumm und wich Peters Blick aus. Bei seinen Worten wurde ihr ganz kalt. Sie merkte, dass sie seine Gefühle falsch gedeutet hatte. Sie hatte geglaubt, er fühlte sich zu ihr hingezogen. Aber jetzt schien es eher so, dass er ihr gegenüber so unkomplizierte und unschuldige Gefühle hegte, dass er sie sogar in seine Beziehung zu seiner Familie einbinden wollte.
    Sie versuchte, ihm so zu antworten, als ob sie ähnlich für ihn empfinden würde. »Sie könnten für jedes Kinderzimmer ein Schild kaufen und die Namen hineinschnitzen lassen.«
    Sie rang sich ein Lächeln ab, aber es gelang ihr nicht ganz. Ständig musste sie daran denken, wie er sie gestern Abend vor dem Rondavel und anschließend bei dem tansanischen Festessen angeschaut hatte. Sie hatten den ganzen Abend kaum miteinander gesprochen – Lillian hatte das Gespräch an ihrem Tisch an sich gerissen –, aber ihre Blicke waren sich häufig begegnet, und sie hatten sich anscheinend nicht voneinander losreißen können.
    Plötzlich durchfuhr Mara erneut ein Gedanke – ein Gedanke, der sich sofort richtig und wahr anfühlte. Peter betrachtete dies nicht als beliebiges Gespräch, genauso wenig wie sie. Er versuchte bewusst, sie mit seinem wirklichen Leben zu Hause in Verbindung zu bringen. Er wollte ihr zeigen, wie sehr er an seiner Familie hing, und wollte dadurch eine Distanz zwischen Mara und sich errichten.
    Denn wie sie ihn begehrte, begehrte er sie.
    Mara blickte Peter forschend an. Vielleicht konnte sie ja sehen, ob sie recht hatte. Sie empfand Mitgefühl für ihn. Wusste er nicht, dass sein Plan nicht funktionieren würde? Es war unmöglich, hier in Raynor Lodge seine Frau und seine Kinder heraufzubeschwören – der Versuch ließ sie nur noch ferner und weniger real erscheinen. Wie John – weit weg in den Selous – existierten sie nur in einer völlig anderen Realität.
    Mara griff nach einem Set von vier Elefanten auf dem kitenge, die unterschiedliche Größen hatten. Sie hatten winzige Stoßzähne, aus Knochen geschnitzt und in das dunkle Holz eingefügt. »Nehmen Sie diese«, sagte sie. »Es ist eine Familie.«
    Lächelnd nahm Peter die Elefanten entgegen. Mara blickte ihn an. Auf Stirn und Nase hatte er einen leichten Sonnenbrand. Auf einer Wange hatte er sich an einem Dornbusch geritzt, und sie konnte immer noch den leicht gelben Fleck von dem Jod sehen, das sie dort hingetupft hatte. Neben der Schläfe hatte er einen roten Moskitostich. Als er den Kopf senkte, um Geld aus der Tasche zu holen, beugte sie sich vor und atmete seinen Duft nach Zimt-Aftershave und Lifebuoy-Seife ein.
    Sie nahm alle diese kleinen Details in sich auf; die Merkmale einer Welt, in der sie für den Augenblick gemeinsam lebten, abgeschnitten von der Vergangenheit und der Zukunft.
    Frei schwebend.

11
    Es war erst fünf Uhr morgens, aber Bwana Stimu hatte bereits den Generator angelassen. Elektrisches Licht leuchtete aus den Küchenfenstern, und der Frieden und die Stille des frühen Morgens wurden durchbrochen vom Dröhnen der Maschine, das durch die Wände des Schuppens drang.
    Mara ging rasch über das Grundstück. Ruhelose Energie erfüllte sie, während sie ihre Pflichten vor dem Frühstück erledigte, die sich im Geiste wie eine Reihe von Hindernissen vor ihr

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