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Roter Hibiskus: Roman (German Edition)

Roter Hibiskus: Roman (German Edition)

Titel: Roter Hibiskus: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katherine Scholes
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ergriff mit jeder Hand eine Flasche, drehte sie gleichzeitig um – und stand bewegungslos da, als der Inhalt sich silbrig glänzend auf den Boden ergoss. Seine Miene war erstaunt, als könne er selbst kaum glauben, dass er so etwas Unerhörtes tat. Ein starker Geruch nach Wacholder und Alkohol lag in der Luft. Als die beiden Flaschen leer waren, warf Carlton Lillian schweigend einen langen Blick zu – dann ließ er die Flaschen zu Boden fallen und ging weg, ohne sich noch einmal umzusehen.
    Lillian knallte die Tür zu ihrer Hütte zu.
    Mara blieb so lange in ihrem Versteck, bis Carlton außer Sichtweite war. Sie war wie erstarrt vor Schock. Natürlich wusste sie, dass Lillian trank, aber sie hätte nie gedacht, dass die Schauspielerin Alkoholikerin war. In Maras Vorstellung traf das nur ausgebrannte Menschen, die in ihrem ereignislosen Leben feststeckten. Es passte nicht zu einer erfolgreichen, begabten Frau. Mara warf einen unsicheren Blick auf die Rundhütte. Am liebsten würde sie jetzt zu Lillian gehen und sich vergewissern, dass alles in Ordnung war. Aber dann würde sie wissen, dass Mara die demütigende Szene mitbekommen hatte. Es war sicher besser, alles Carlton zu überlassen. Er war schließlich Filmproduzent – er wusste, was getan werden musste.
    Mara hockte in der Dunkelheit und umklammerte das Stück Seife. Es fühlte sich beruhigend fest an in einer Welt, die auf einmal unzuverlässig geworden war. Wenn Lillian Lanes Karriere von einer solchen Katastrophe bedroht war, was konnte dann noch alles passieren?
    Ein Schauer der Verwirrung rann durch Maras Körper. Aber auch dieses Gefühl war nicht so eindeutig wie sonst; es war mit etwas anderem verbunden – dem Gefühl, dass an einem Ort voller Geheimnisse und Widersprüche die normalen Regeln des Lebens aufgehoben waren.
    Plötzlich war alles möglich.
    Peters Gesicht stand ihr auf einmal vor Augen, und Erregung stieg in ihr auf. Ihr Blut floss schneller durch ihre Adern.

10
    Lillian lag ausgestreckt auf einer Korbliege im Schatten des Jakaranda-Baumes. Um den Kopf hatte sie einen Seidenschal geschlungen, der im Farbton ebenso wie das Blumenmuster ihres Kleides genau zu dem Rosa der Blüten an dem Bougainvillea-Strauch daneben passte. Als Mara über den Rasen auf sie zutrat, fragte sie sich unwillkürlich, ob diese Übereinstimmung gewollt war. Vielleicht sah Lillian sich schon so lange als Teil eines sorgfältig komponierten Filmkunstwerks, dass sie sich auch das wirkliche Leben so zurechtlegte.
    Das Teetablett, das Mara holen wollte, stand auf dem Boden neben der Liege. Sie trat leise näher; Lillian schlief fest, sie atmete tief und gleichmäßig durch leicht geöffnete Lippen. Unter ihren Augen lagen leichte Schatten, aber ansonsten sah sie gut aus. Schön sogar. Es war schwer zu glauben, dass dies die gleiche Person war, der Carlton gestern Abend Vorwürfe gemacht hatte.
    Mara hob das Tablett vorsichtig hoch, damit das Geschirr nicht klapperte. Sie wollte sich gerade abwenden, als sie Lil lians Skizzenblock auf dem Rasen bemerkte. Ein Käfer krabbelte über das Papier, kroch, ohne eine Spur zu hinterlassen, über die pedantische Zeichnung, die einen Mann zeigte, der auf einem Stuhl saß. Mara vermutete, dass es Peter sein sollte – sie erkannte die Feldflasche an der Hüfte und das Gewehr. Sie fragte sich, ob Lillian die fertige Zeichnung wohl Peter schenken würde und ob er dann auch lügen und sagen würde, wie gut sie gelungen sei, wie es anscheinend jeder hier tat. Leiser Ärger stieg in Mara auf. Es kam ihr Lillian gegenüber unfair vor, dass niemand ihr seine ehrliche Meinung zu den Zeichnungen sagte. Sie gab sich so viel Mühe, aber sie hatte keine Ahnung, ob sie überhaupt Talent besaß.
    Mara warf einen Blick auf Lillian und fragte sich, welche anderen Auswirkungen des Erfolgs sie erlebt haben mochte – ernstere Auswirkungen, die sie zu der Person gemacht hatten, die sie jetzt war. Dann wandte sie ihre Gedanken Peter zu. Er war genauso berühmt, und doch stand er mit beiden Beinen auf der Erde. Sie war sich sicher, dass es bei ihm keine Fassade war. Zwar wusste sie nicht, ob es an seiner Persönlichkeit lag, an seiner Herkunft oder an den Entscheidungen, die er in seinem Leben getroffen hatte – aber er schien den Erfolg unbeschadet überstanden zu haben.
    Mara blickte sich auf dem Grundstück um. Es war schon später Vormittag, aber anstelle der üblichen hektischen Aktivität herrschte eine Atmosphäre der Ruhe. Carlton hatte

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