Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Roter Hibiskus: Roman (German Edition)

Roter Hibiskus: Roman (German Edition)

Titel: Roter Hibiskus: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katherine Scholes
Vom Netzwerk:
– darüber weißt du natürlich nicht Bescheid! Nun, ich habe es satt. Ich gehe.«
    In dem Schweigen, das eintrat, hörte man in der Ferne die Hütten-Boys bei der Arbeit singen.
    Mara sank auf ihrem Stuhl zusammen. Carlton wandte den Kopf und blickte sie an, als hätte er völlig vergessen, dass sie auch noch da war.
    »Du kannst nicht einfach gehen.« Leonard klang wie ein verwirrtes Kind.
    »Und ob ich das kann!«, erwiderte Carlton. »Ich packe jetzt meine Sachen.«
    Mara blickte zu Leonard. Er wirkte auf einmal kleiner, wie geschrumpft – gar nicht mehr wie der selbstbewusste Regisseur, der der Crew und den Schauspielern Anweisungen gab.
    »Bitte, Carlton, geh nicht«, sagte er leise. »Wir werden anders arbeiten. Ich tue alles, was du sagst.«
    Carlton musterte seinen Bruder. »Bestimmt?«
    Leonard nickte so heftig, dass seine Locken flogen. »Ja, ich verspreche es.«
    »Dann fang endlich an, dich wie ein Erwachsener zu benehmen. Übernimm Verantwortung für die Lage, in der wir uns befinden.« Carlton zeigte auf die Landkarte. »Ich gebe dir zehn Minuten, um einen Ort auszusuchen, an dem du drehen kannst. Sonst packen wir zusammen und reisen ab. So einfach ist das.«
    Er klang ruhig, aber Mara sah, dass seine Hand zitterte.
    Leonard stand ein paar Sekunden lang da wie erstarrt. Dann wandte er sich an Mara. »Wissen Sie denn eine Höhle hier? Irgendwo. Oder auch einfach nur einen Felsvorsprung.«
    Mara blickte auf den Punkt auf der Landkarte, wo sich der ideale Ort befand. Aber sie schwieg. Ein langer Augenblick verging. Carlton schaute auf seine Armbanduhr. Er hatte die Lippen entschlossen zusammengepresst. Es würde nicht mehr lange dauern, und dann würde er allen sagen, sie könnten packen. Bis Mittag konnten sie weg sein, dachte Mara. Alle.
    Wie von selbst glitt ihr Finger über die Landkarte.
    »Gerade ist es mir eingefallen«, sagte sie. »Diese Stelle hier könnte passen.«
    Die beiden Männer blickten sie an. Obwohl sie in der äuße ren Erscheinung so unterschiedlich waren, hatten sie die gleichen braunen Augen. Langsam wich die Anspannung, und Mara sah den Brüdern an, wie erleichtert sie waren. Fast gleichzeitig sagten beide: »Lassen Sie uns dorthin fahren!«

    Die Höhle bestand aus Sandsteinschichten in rosa, gelben und braunen Tönen. Geformt wie ein Halbmond bildete sie eine perfekte Zuflucht. Mara ging hinein, strich über die Wand und spürte die körnige Oberfläche des Steins. Ihr blieb nur wenig Zeit, bevor die anderen kamen, ein kurzes Zwischenspiel, um sich in Erinnerung zu rufen, dass es nur eine Höhle war. Sie gehörte zur Landschaft, und Leute hierherzubringen – auch Peter –, war nichts anderes, als mit ihnen in der Lodge, in der Savanne oder in den Hügeln zu sein.
    Mara blickte über die Wände bis hinauf zur Decke, die schwarz war vom Rauch all der Feuer, die hier jemals entzündet worden waren. Auf der Erde lagen kleine Steine und ein paar gebleichte Knochen. Ihr Blick fiel auf einen Haufen aus Holzkohle, Holz und Asche, der von einem Steinkreis umgeben war. Sie ergriff ein Stück angesengtes Holz und drehte es zwischen den Fingern. Ob das wohl ein Rest von einem ihrer eigenen Feuer war?, fragte sie sich. Es war mittlerweile schon fast zwei Jahre her, seit sie und John zuletzt in der Höhle übernachtet hatten, aber der Ort hier war abgelegen – und es war durchaus möglich, dass in dieser Zeit noch nicht einmal ein Hirte hierhergekommen war.
    Mara wandte sich zum Eingang. Sie versuchte, die Gedanken auf den Tag zu richten, der vor ihr lag, aber es gelang ihr nicht. Erinnerungen stiegen in ihr auf. Es war, als hätten sie hier auf sie gewartet.
    Sie war mehrmals mit John hier gewesen, aber am lebhaftesten stand ihr das erste Mal vor Augen. Es war nur drei Tage nach ihrer Hochzeit gewesen, und nach und nach erinnerte sie sich an alle Einzelheiten: den muffigen Geruch ihres Armee-Rucksacks, den Geschmack von Schweiß auf den Lippen. Die kühle Luft, die über ihren Rücken glitt, als sie das Gepäck abnahm und auf den Boden fallen ließ. Und dann stand John neben ihr, keuchend von dem steilen Aufstieg.
    Sie waren in der Dämmerung an der Höhle angekommen, zu Fuß. Alles, was sie für eine Woche Safari brauchten, hatten sie auf dem Rücken getragen. Sie hatten kein Zelt dabei, nur eine Matte zum Liegen, zwei Schlafsäcke, die durch einen Reißverschluss miteinander verbunden werden konnten, und ein Moskitonetz. John hatte ein paar Grundnahrungsmittel eingepackt, die sie

Weitere Kostenlose Bücher