Roter Hibiskus: Roman (German Edition)
antwortete ihnen in ihrem einfachen Swahili. Wahrscheinlich wollte sie Klatsch über die Filmleute erfahren, den sie dann in Kikuyu weitererzählen konnte.
Als Mara wieder an ihrem Aussichtspunkt stand, sah sie, dass alle sich nahe am Wasserloch versammelt hatten. Lillian stand neben Peter, direkt vor der Kamera. Sie hatte den Hut abgesetzt, und die Haare hingen lang und dunkel auf ihre Schultern. Mara kam es so vor, als sähe sie sich selbst aus der Entfernung. Es war so einfach, sich vorzustellen, sie wäre an Lillians Stelle. Sie wusste genau, wie die kleinen Fältchen um Peters Augen sich vertieften, wenn er lächelte, und sie wusste, dass das Braun seiner Haare aus vielen verschiedenen Farbtönen bestand – wenn man es aus der Nähe betrachtete. Als sie die Augen schloss, konnte sie ihn beinahe riechen: die afrikanischen Gerüche, Schweiß und Staub, vermischten sich mit seinem Duft nach Zimt …
Als sie die Augen wieder öffnete, hatte Peter Lillian an sich gezogen. Wie ein Schock durchzuckte es Mara, als ihr klarwurde, was gleich passieren würde. Ihre Finger umklammerten die Rückenlehne des Stuhls so fest, dass sich das Korbgeflecht in ihre Haut drückte.
Sie hielt den Atem an, jede Faser in ihrem Körper spannte sich in der Erwartung dessen, was da unten vor sich ging. Luke würde Maggie in die Arme nehmen und sie küssen.
Mara schüttelte den Kopf und wandte sich ab. Sie richtete ihren Blick auf die stille Wasseroberfläche. Krampfhaft versuchte sie sich auf die Vögel und das Schilf zu konzentrieren – auf alles andere, nur nicht auf die beiden Gestalten im Vordergrund. Gefühle stiegen in ihr auf, verlangten nach Beachtung, aber sie wagte nicht, sie zu benennen.
Es sind Schauspieler. Profis. Sie machen so etwas ständig. Es bedeutet nichts …
Aus den Augenwinkeln konnte sie sie sehen. Ihre Lippen berührten sich. Lillians Hand lag auf Peters Nacken. Mara fühlte sich betrogen, als habe nur sie das Recht, dort unten mit Peter zu stehen. Als ob nur sie Maggie sein dürfte. Als ob Luke ihr gehören würde.
Sie rieb sich mit beiden Händen über das Gesicht, um die Gedanken zu vertreiben. Verrückte Gedanken. Das hatte doch gar nichts mit ihr zu tun. Sie würde nie wieder Maggie sein. Sie gehörte nicht mehr zur Filmcrew dazu. Und das war auch in Ordnung, denn das, was sie gerade empfand, war ja wohl der beste Beweis dafür. Carlton hatte sie gerettet, obwohl es ihm wahrscheinlich gar nicht bewusst war. Die Grenzen waren verwischt gewesen, aber er hatte alles wieder geradegerückt. Und jetzt war sie wieder die Frau des Jägers. Die Safari-Gastgeberin.
Alles war wieder so, wie es sein sollte.
Sie beobachtete, wie eine Gans auf dem Wasser landete und die Oberfläche sich kräuselte. Mara wartete darauf, dass sich ein Gefühl der Erleichterung einstellte, aber nichts passierte. Sie fühlte sich leer, so als ob ihr die Lebensessenz entzogen worden wäre.
Ruhelos blickte sie über die Landschaft und vermied es ganz bewusst, zu der Stelle zu schauen, an der Maggie und Luke noch standen. Schließlich richtete sie ihren Blick auf die kleine Hütte, die die somalischen Bauarbeiter am Waldrand gebaut hatten. Sie bestand aus gewebten Grasmatten und Stöcken und nicht aus den Lehmziegeln, die die Einheimischen verwendet hätten, aber sie passte in die Umgebung und fügte sich ein, als ob sie schon immer dort gestanden hätte. Wenn Brendan seine Scheinwerfer dort aufbaute, damit sie das Innere der Hütte ausleuchteten, würden die Dreharbeiten beinahe zu Ende sein, sagte sich Mara. Und bis zu diesem Tag dauerte es nicht mehr lange. Bis dahin musste sie sich daran erinnern, wer sie war – und wohin und zu wem sie gehörte.
13
Die Tür der Rundhütte war geschlossen, und die Vorhänge waren zugezogen. Mara klopfte leise an. Sie stellte sich vor, wie Lillian drinnen im Bett lag, die langen Haare ausgebreitet auf dem Satinkissen, das die Visagistin ihr empfohlen hatte, um die Haut vor Falten zu schützen. Mara wartete einen Augenblick, dann klopfte sie noch einmal, diesmal lauter. Es blieb ihr nichts anderes übrig, als Lillian aufzuwecken – alle anderen hatten schon längst gefrühstückt, und die Crew bereitete sich auf den Drehtag vor.
Als sie immer noch keine Antwort bekam, öffnete sie leise die Tür. Das übliche Chaos bot sich ihren Blicken – die im Zimmer verstreuten Socken; ein Abendkleid über der Stehlampe; Schuhe auf dem Boden als Verlockung für die weißen Ameisen. Aber das Bett war leer.
Weitere Kostenlose Bücher