Roter Hibiskus: Roman (German Edition)
Hotel von einem neuen Hotelier übernommen worden – ein afrikanischer Geschäftsmann aus Daressalam hatte es dem früheren Besitzer, der nach dem Ende der Kolonialherrschaft nicht mehr hierbleiben wollte, abgekauft. Allerdings bedeutete das nicht zwangsläufig, dass die Küche besser geworden war. Wahrscheinlich hatte Lillian bereits gemerkt, was sie für ein Glück gehabt hatte, dass Menelik in der Lodge kochte.
Der Landrover machte plötzlich einen Satz, und Mara konzentrierte sich wieder auf das Fahren. Die Straße war hier sehr holprig. Sie beschleunigte und fuhr mitten durch die Schlaglöcher hindurch, die Hände fest am Lenkrad, während der Wagen rumpelte und schlingerte. Normalerweise hätte sie den Fahrgästen erklärt, dass es schlimmer war, wenn man langsam durch die Schlaglöcher fuhr, aber jetzt schwieg sie und fuhr einfach weiter. Als sie um eine Kurve bogen, erstarrte sie und trat fest auf die Bremse.
Am Straßenrand sah sie schwarze und weiße Streifen, harte, gemalte Linien, die unmöglich zu einem Zebra gehören konnten.
»Oh, mein Gott«, sagte Carlton.
Der Manyala-Landrover war halb von der Straße abgekommen. Er stand in ihre Richtung gedreht und war mit der vorderen Stoßstange gegen einen Baobab geprallt.
Mara brachte ihr Fahrzeug zum Stehen. Sie beugte sich aus dem Fenster, um in das Innere des Wagens zu spähen. Panik stieg in ihr auf, als sie sah, dass der Fahrersitz leer war. »Sie ist weg«, rief Carlton.
Mara wurde es übel. Sie stellte sich vor, wie Lillian verzweifelt versuchte, einer illegalen Straßensperre auszuweichen: Eine Reihe von Benzinfässern, die in der Dunkelheit lodern. Sie prallt gegen einen Baum und muss hilflos erleben, wie schwarze Gestalten auftauchen und sich um ihr Opfer drängen. Ihr Atem stinkt nach selbstgebranntem Schnaps, und aus blutunterlaufenen Augen mustern sie den bleichen Körper der Frau – ihre Beute …
Mara sprang aus dem Wagen. Mit wenigen Schritten war sie am Baum. Sie stützte sich am dunkelroten Stamm ab und hievte sich auf die Haube des beschädigten Landrovers. Dort kletterte sie über den Ersatzreifen und beugte sich vor, um durch die Windschutzscheibe zu blicken. Auf dem mittleren Sitz lag ein blaues Bündel. Lillians Strickjacke. Rasch musterte sie das Wageninnere. Die Schultertasche war weg, und auch sonst waren keine persönlichen Dinge zu sehen. Sie wollte gerade wieder herunterklettern, als sie – auf dem dunklen Polster des Sitzes kaum zu erkennen – einen Blutfleck bemerkte. Erschreckt starrte sie darauf. Lillian war verletzt; sie blutete. Eigentlich war das auch nicht überraschend – anscheinend war sie mit hoher Geschwindigkeit gegen den Baum gefahren. Aber irgendwie kam es ihr trotz aller Fehler und menschlicher Schwächen unmöglich vor, dass die gewöhnlichen Gesetze der Schwerkraft auch auf Lillian zutrafen.
Mara sprang zu Boden. Als Carlton sie fragend anblickte, spreizte sie die Hände und schüttelte den Kopf. Warum sollte sie ihn noch mehr in Angst und Schrecken versetzen, indem sie das Blut auf dem Sitz erwähnte? Sie wandte ihre Aufmerksamkeit dem Spurenleser zu, der sich hingehockt hatte und die Straße so eingehend studierte, dass seine braune Armeekappe beinahe den Boden berührte. Als ob er Blindenschrift lesen würde, fuhr er mit den Fingern über die Erde und drehte lauschend den Kopf hin und her. Kefa stand neben ihm und beobachtete ihn.
Schließlich richtete sich der alte Mann auf.
»Ein Lastwagen ist hier gewesen.« Er wies auf die aufgeworfene Erde. »Er hat angehalten, und Leute sind zum Landrover gegangen. Hier kannst du ihre Fußabdrücke sehen.«
Er zeigte auf Spuren in der krümeligen Erde auf der Straße. »Diese Fußabdrücke hier sind tiefer. Die Leute haben sie zum Lastwagen getragen. Manche haben Schuhe an, andere nicht.« Mara hörte ihm mit aufgerissenen Augen zu. Sie wollte, dass er weiterredete, hatte aber zugleich Angst vor dem, was er sagen könnte. Er bückte sich und berührte ein winziges Stück Vogelkot, das mitten auf einem Fußabdruck lag. »Es hat heute stattgefunden, nachdem die Sonne aufgegangen ist.«
Mara blickte die Straße entlang. »Kannst du der Spur des Lastwagens folgen?«
Der Spurensucher machte eine abfällige Handbewegung. »Ich kenne diesen Lastwagen. Er hat drei verschiedene Reifen. Nur einer davon ist neu. Und der hier« – er stieß mit der Fußspitze an einen Schuhabdruck – »der hier gehört Joseph.«
»Joseph«, wiederholte Mara. »In Ordnung, dann
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