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Roter Hibiskus: Roman (German Edition)

Roter Hibiskus: Roman (German Edition)

Titel: Roter Hibiskus: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katherine Scholes
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Die Decke war glatt gezogen und an den Ecken ordentlich festgesteckt. Das Moskitonetz war in dem Tagesknoten hochgebunden. Mara runzelte die Stirn. Das ergab keinen Sinn – die Hütten-Boys waren heute Morgen noch nicht hier gewesen, und Lillian hätte ihr Bett nie selbst gemacht.
    Eine böse Vorahnung beschlich Mara. Als sie sich im Zimmer umblickte, sah sie, dass Lillians Reisetasche nicht da war. Auch ihre Stiefel waren weg.
    Sie eilte aus der Hütte und zog die Tür hinter sich zu. Rasch lief sie den Weg entlang, auf der Suche nach Kefa. Vielleicht wusste er ja etwas. Möglicherweise gab es eine einfache Erklärung für die Tatsache, dass Lillian nicht in ihrem Zimmer geschlafen hatte.
    Im Hof hinter der Lodge entdeckte sie Kefas große Gestalt bei Bwana Stimus Schuppen. Sie hielt kurz inne, als sie ihn sah. Er trug ein Hemd aus dem gleichen blauen kitenge- Stoff, aus dem ihr Kleid als Safari-Gastgeberin und die Vorhänge in der Lodge bestanden. Die kurzen Ärmel – aus neuem, frisch gebügeltem Stoff gemacht – standen von seinen Armen ab.
    »Kefa!«, rief sie atemlos.
    Kefa drehte sich um, straffte die Schultern und nahm eine leicht defensive Haltung ein. Mara blickte an ihrem eigenen Kleid herunter und erkannte damit an, dass sie gleich gekleidet waren.
    »Du hast ein neues Hemd«, sagte sie rasch. »Es ist sehr schön.«
    »Ich habe es bei Mrs. Chakraburti bestellt. Es ist für mich persönlich angefertigt worden«, erwiderte Kefa stolz. Ein besorgter Ausdruck huschte über sein Gesicht. »Es ist etwas passiert.«
    »Ja. Lillian ist nicht in ihrem Rondavel. Sie hat nicht in ihrem Bett geschlafen.«
    Kefa senkte den Blick. »Vielleicht ist sie in einem anderen Zimmer gewesen.«
    Mara starrte ihn an. Bilder von Maggie und Luke, die sich am Wasserloch küssten, gingen ihr durch den Kopf. Aber sie wusste genug von Peter, um sicher zu sein, dass ihn mit Lillian nicht mehr als eine berufliche Beziehung verband. Und sie hatte kein besonderes Interesse an irgendeinem anderen Mitglied der Crew gezeigt. »Das glaube ich nicht. Ihre Tasche und ihre Stiefel sind nicht mehr da.«
    Kefa nickte langsam und runzelte die Stirn. »Sie ist gestern Abend früh in ihre Hütte gegangen. Sie war wütend.«
    Mara blickte ihn überrascht an. Ihr war gestern Abend nichts Ungewöhnliches aufgefallen. Aber sie hatte sich auch mit Peter unterhalten. Irgendwann hatten sie angefangen, Erinnerungen über ihr Leben in Australien auszutauschen. Er hatte von den Kochkünsten seiner Mutter erzählt, und binnen kurzem war das verlegene Schweigen der letzten Tage, das zwischen ihnen geherrscht hatte, verschwunden. Peter hatte ihr gesagt, welche Orte in New South Wales er gerne noch einmal besuchen würde, wenn Paula nur ohne ein Fünf-Sterne-Hotel auskäme. Mara hatte Peter von Bicheno erzählt, dem Fischerdorf, in dem sie als Kind gezeltet hatte. Es war nach einem französischen Forscher benannt, und sie hatte Peter den ungewöhnlichen Namen buchstabieren müssen. Es gab dort Pinguine, hatte sie ihm berichtet, die in Erdlöchern auf einer Insel lebten, die von oben wie ein Diamant aussah. Peter hatte von Orten gesprochen, an denen er gefilmt hatte, und zugegeben, dass er manchmal nur während der Dreharbeiten ganz er selbst sein konnte. Aber wenn der Film fertig war, sehnte er sich doch auch immer wieder nach seiner Familie zurück.
    Mara hatte jeden Satz, jedes Lächeln, als Schritt in einem komplexen Tanz erlebt. Und sie hatte es Peter angemerkt, dass es ihm ähnlich ging. Sie hatten sich aufeinander zutreiben lassen, angezogen von ihren gemeinsamen Erinnerungen und der Freude darüber, zusammen zu sein. Zugleich jedoch hatten sie darauf geachtet, jene Grenze nicht zu überschreiten, die sie trennte. Und so war jedes ihrer Worte von unausgesprochenem Bedauern begleitet gewesen: Das könnten wir alles miteinander teilen. Das könnten wir sein.
    Mara schüttelte die Erinnerung ab und wandte sich an Kefa. »Was ist denn passiert?«
    »Bwana Carlton hat mir gesagt, ich sollte keine Bestellung für die Bar von ihr entgegennehmen.« Kefa klang ein wenig aufgebracht. Das Personal in Raynor Lodge war darauf trainiert, das Verhalten von Kunden auf keinen Fall in Frage zu stellen, vor allem, wenn es um Alkohol ging. John hatte ihnen erklärt, dass ein Gast noch nicht einmal gefragt werden sollte, ob er noch etwas zu trinken haben wollte – »noch etwas« deutete darauf hin, dass bereits etwas getrunken worden war, was die Angestellten nichts anging.

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