Roter Hibiskus: Roman (German Edition)
zum Wohnzimmer. »Komm doch herein und trink einen Tee. Ich werde den Koch bitten, dich zu begrüßen.«
Bina verzog erfreut das Gesicht. »Danke. Ich nehme sehr gerne eine Erfrischung.«
Kurz darauf saß Bina gemütlich mitten auf dem Sofa und aß eine dicke Scheibe Teekuchen, die mit Butter bestrichen war. Ihr Korb stand neben ihr.
Mara saß in einem Sessel Bina gegenüber und trank Tee, während sie den neuesten Nachrichten aus Kikuyu lauschte. Bina erzählte ihr, dass auf dem Markt ein Dieb gefangen worden sei. Die aufgebrachte Menge hatte ihn hart bestraft, und jetzt lag er im Krankenhaus der Mission. Vor einer Woche war ein Löwe über die Hauptstraße gelaufen, aber bevor der Wildhüter mit dem Gewehr eingetroffen war, war er schon wieder weg gewesen. Es gab ein paar Transportprobleme, und in einigen Geschäften herrschte Knappheit an Waren – aber natürlich nicht im New-Tanzania-Warenhaus. Als Menelik den Raum betrat, warf Bina ihm einen ungeduldigen Blick zu und redete weiter.
Mara sah Meneliks misstrauische Miene und lächelte ihm beruhigend zu. Auf Englisch sagte sie zu ihm:
»Mrs. Chakraburti hat einige Päckchen für dich dabei.« Sie machte eine kleine Pause, dann fuhr sie fort: »Sie hat alle Gewürze mitgebracht, die Kefa für dich bestellt hat.«
Bina warf ihr einen verwirrten Blick zu. »Hier ist gar kein indischer Koch? Aber wer sonst bräuchte denn so viele Gewürze?«
Mara empfand ein leichtes Schuldgefühl angesichts der offensichtlichen Verwirrung ihrer indischen Freundin, aber sie wollte Menelik die Gelegenheit geben, Binas Respekt zu erlangen. »Meneliks Kochkünste beschränken sich nicht auf englische Gerichte, musst du wissen«, sagte sie.
Bina drohte Menelik mit dem Finger, was all ihre Armreifen erneut in Bewegung versetzte. »Es ist nicht einfach, indisch zu kochen! Du musst es richtig verstehen. Eigentlich muss man Inder sein!«
»Ich habe nicht vor, indisches Essen zu servieren«, erwiderte Menelik. Seine Stimme war leise, aber klar. »Ich werde Gerichte aus meiner Heimat Äthiopien kochen. Zuerst muss ich beri beri zubereiten – dafür brauche ich zwölf verschiedene Gewürze. Dann mache ich zwei Eintöpfe – sik sik wat und doro wat . Ich gebe beri beri hinein, aber ich muss auch andere Gewürze hinzufügen. Es ist sehr schwierig.«
»Ich habe noch nie von äthiopischer Küche gehört!«, rief Bina aus, als ob sich alle Welt verschworen hätte, um ihr etwas Wichtiges vorzuenthalten.
Menelik lächelte. »Unsere Rezepte sind sehr alt. Wir haben sehr gutes Essen.« Er straffte die Schultern und hob das Kinn. »Und ich habe das Kochen in der königlichen Küche seiner Kaiserlichen Majestät Haile Selassie gelernt, des siegreichen Löwen aus dem Stamm Juda.« Er streckte die Hand nach dem Korb aus. »Bitte. Ich habe sehr viel zu tun.«
Bina reichte ihm zahlreiche kleine Päckchen, die in braunes Papier eingewickelt waren. Als er sie alle entgegengenommen hatte, lächelte sie ihn an. »Ich verstehe etwas von diesen Dingen, musst du wissen. Meine Verwandten in Udaipur arbeiten im Palast der Maharani.«
Menelik nickte ernst. »Es ist nicht leicht, in einem Palast zu arbeiten. Die Standards sind sehr hoch.«
»Ja«, stimmte Bina zu. »Das haben mir meine Verwandten auch erzählt.«
»Und natürlich besteht Menelik auch hier in Raynor Lodge auf diesen hohen Standards«, warf Mara ein.
Bina wirkte äußerst beeindruckt. Zustimmend zog sie die Augenbrauen hoch.
Als Menelik sich zum Gehen wandte, warf er Mara einen triumphierenden, leicht amüsierten Blick zu. Mara senkte den Kopf, um ihr Lächeln zu verbergen. Dabei fiel ihr Blick auf Binas Füße. Sie waren in enge Goldsandalen, die mit Glassteinen besetzt waren, gezwängt. Die Haut an den Fersen war braungrau und ledern. In den tiefen Rissen schimmerte das Fleisch babyrosa.
»Was ist denn mit dem Rock und der Bluse, die ich für dich genäht habe«, fragte Bina, als ob sie gerade von Kleidungsstücken gesprochen hätten. »Passen sie gut?«
Mara blickte auf. »O ja! Entschuldigung, ich hätte schon längst etwas dazu sagen sollen. Ich bin entzückt von den Sachen! Sie passen perfekt!«
Mara dachte daran, wie sie sich im Handspiegel betrachtet hatte, als sie die neuen Sachen zum ersten Mal angezogen hatte. Vor ihrem geistigen Auge sah sie sich in den Garten hinausgehen, die Haare noch feucht vom Baden, die Haut nach L’Air du Temps duftend. Der weiche Stoff des Rocks hatte sich um ihre Beine geschmiegt.
Sie erinnerte
Weitere Kostenlose Bücher