Roter Hibiskus: Roman (German Edition)
lass uns fahren.«
»Wer ist Joseph?«, fragte Carlton.
Mara eilte bereits zu ihrem Landrover und bedeutete den anderen, ihr zu folgen. »Er arbeitet im Missionskrankenhaus.«
Mara eilte durch die Anlage. Sie achtete nicht auf die neugierigen Patienten, sondern lief direkt auf die einzige Krankenschwester zu, die sie sehen konnte: eine junge Afrikanerin in einer rosa-weiß gestreiften Schwesterntracht, die an einem Holzofen stand. Mit zwei Pinzetten holte sie ein Gewirr chirurgischer Instrumente aus einem Topf mit kochendem Wasser. Als Mara näher trat, legte sie sie gerade auf ein Tuch, das über ein Tablett gebreitet war.
»Hat man eine mzungu hergebracht?«, fragte Mara.
»Ja, eine europäische Frau ist hier«, antwortete die Krankenschwester auf Swahili. »Der Doktor rettet sie gerade.«
Mara starrte sie an und versuchte zu erraten, was sie wohl genau gemeint hatte. Konnte man »retten« auch mit »behandeln« übersetzen? Oder meinte die Frau tatsächlich »retten«? »Wo sind sie?«
Die Schwester wies mit der tropfenden Pinzette zum Hauptgebäude.
Mara winkte Carlton, der mit Kefa und dem Spurensucher am Landrover wartete, ihr zu folgen, und lief zum Haupteingang. Sie rannte eine Steintreppe hinauf und drückte die schwere, grüne Tür auf. Als sie eintrat, hatte Carlton sie eingeholt.
Die Luft im Gebäude war heiß und drückend. Es roch nach Desinfektionsmitteln, vermischt mit frischem Zement – der beinahe, allerdings nicht ganz, schärfere menschliche Gerüche überdeckte. Weißgetünchte Korridore erstreckten sich in beide Richtungen. Mara wusste nicht genau, wohin sie sich wenden sollte; sie war zwar schon einmal in der Notaufnahme gewesen, als ein Kunde an der Hand genäht werden musste, aber das war bereits über ein Jahr her. Zunächst wandte sie sich nach links, Carlton blieb ihr immer dicht auf den Fersen. Aber nach ein paar Schritten blieb sie stehen. Aus der anderen Richtung ertönte eine Männerstimme. Der englische Akzent war nicht zu überhören, obwohl sie die Worte aus der Entfernung nicht verstehen konnte. Sie wirbelte herum. »Hier entlang«, sagte sie zu Carlton.
Die Stimme wurde immer lauter und klarer, je näher sie dem Raum kamen, aus dem sie drang. Mara erkannte den selbstbewussten Tonfall von Helens Ehemann, Tony Hemden, dem Missionsarzt. Die Tür zu dem Zimmer, in dem er sich befand, stand offen.
Mara blieb kurz auf der Schwelle stehen. Dr. Hemden stand in einem weißen Kittel neben einem Bett am Ende eines kleinen Krankensaals. Eine afrikanische Schwester in weißer Tracht und Haube stand neben ihm. Die beiden Gestalten versperrten die Sicht auf das Krankenbett, aber Mara erblickte einen dünnen weißen Arm auf einer blauen Decke.
»Sie ist hier«, sagte sie zu Carlton.
Dr. Hemden drehte sich um und nickte Mara zu, als er sie erkannte. Sie trat auf ihn zu, wobei ihr undeutlich bewusst wurde, dass im Saal kein anderes Bett belegt war. Die meisten Betten hatten noch nicht einmal Matratzen; die nackten Metallrahmen sahen mit den Kopf-und Fußteilen seltsam bedrohlich aus, wie Käfige.
»Geht es ihr gut?«, fragte Mara. »Wir haben den Landrover gefunden.«
Dr. Hemden trat vom Bett zurück, und Mara blieb erschreckt stehen. Einen Moment lang erkannte sie das Gesicht auf dem Kopfkissen nicht. Ein Auge war zugeschwollen und von der Augenbraue bis zum Wangenknochen dunkelviolett. Die Unterlippe war in der Mitte aufgeplatzt. Und die feine, makellose Haut war übersät mit kleinen Schnittwunden, die mit Jod betupft worden waren. Auf einer Seite des Kopfes hatte man der Patientin die Haare geschoren und eine lange Platzwunde genäht. Das schwarze Garn sah aus wie eine Reihe von Fliegen, die auf dem Schädel ein Festmahl abhielten. Das übrige Haar war in zwei ordentliche Zöpfe geflochten worden.
Mara richtete ihren Blick auf das unbeschädigte Auge; das geschlossene Augenlid schimmerte leicht mauvefarben. Es war der einzige Teil des Gesichts, der Lillian noch ähnlich sah. Mara presste sich die Hand auf den Mund. »Was ist ihr denn passiert?«
»Sie hat zwei gebrochene Rippen«, sagte Dr. Hemden. »Und ein übel zugerichtetes Knie. Es war voller Blut. Ich habe schon eine ganze Menge mit einer Nadel herausgezogen, aber es ist noch mehr da. Ich habe sie jetzt sediert, wegen der Schmerzen. Wie Sie sehen können, hat sie einige Schnittwunden und Prellungen, aber die sind nicht so schlimm. Die einzige Narbe, die sie zurückbehalten wird, wird am Kopf sein – direkt unter dem
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