Roter Hibiskus: Roman (German Edition)
Haaransatz. Ihre Zähne sind auch in Ordnung. Danach hat sie mich ständig gefragt.«
Mara blickte ihn an. Ob er wohl wusste, wer seine Patientin war, oder ob er es für ganz normal hielt, dass eine Frau sich Sorgen wegen Gesichtsverletzungen machte?
»Sie hat auch Kopfschmerzen«, fügte er hinzu. »Wahrscheinlich hat sie eine Gehirnerschütterung, aber das kann man unter den Umständen nur schwer sagen. Möglicherweise ist es auch nur ein Kater.« Er blickte von Mara zu Carlton und kniff missbilligend die Augen zusammen. »Sie hat zugegeben, dass sie im Hotel war und getrunken hat – ziemlich viel sogar, würde ich sagen. Sie muss den Unfall irgendwann gestern Nacht gehabt haben. Joseph hat sie in der Dämmerung gefunden, als er mit seinem Lastwagen auf dem Weg nach Kikuyu war.« Er blickte auf die bewegungslose Gestalt im Bett. »Sie hatte großes Glück. Es hätte viel schlimmer kommen können.«
»Dann wird sie also wieder gesund?«, fragte Carlton.
»Sie wird genesen«, erwiderte Dr. Hemden.
Carlton schloss die Augen. »Gott sei Dank.«
Mara blickte zum Fußende des Bettes. Dort lag eine ordentlich gefaltete Bluse, anscheinend mit Leopardendruck – so etwas nahmen Frauen oft in den Safari-Urlaub mit. Dann jedoch wurde ihr klar, dass es Lillians gelbe Seidenbluse war, die mit dunklem Blut befleckt war. Sie hatte die Bluse in der Rundhütte der Schauspielerin gesehen; heimlich war sie mit den Fingern über das Christian-Dior-Monogramm auf der Brusttasche gefahren. Damals hatte sie Lillian noch beneidet, weil sie geglaubt hatte, sie besäße alles, um wirklich glücklich zu sein …
Es wurde still im Zimmer, und man hörte nur den Bleistift der Krankenschwester über Papier kratzen, als sie sich Notizen auf ihrem Klemmbrett machte. Der Arzt schaute ihr über die Schulter. Carlton beugte sich über Lillian und musterte erschreckt ihr Gesicht.
Mara betrachtete sie voller Mitgefühl. Die Verletzlichkeit, die ihr früher schon bei Lillian aufgefallen war, schien hier noch viel deutlicher. Klein wie ein misshandeltes Kind, vernachlässigt und ungeliebt, lag sie in dem weißen Krankenbett.
»Und was passiert jetzt?«, fragte Carlton.
»Zum Glück konnten wir sie hier in diesem Saal allein unterbringen. Es wäre unmöglich gewesen, sie in den Frauensaal zu legen. Das hier wird die Wöchnerinnenstation. Sie ist gerade erst fertig geworden.« Der Arzt wies auf eine Plakette, die an der hinteren Wand hing: Gespendet von der Bevölkerung von Bexhill-on-Sea. »Sie kann hierbleiben, bis wir sie ausfliegen.«
»Ausfliegen?«, wiederholte Mara überrascht. »Wohin?«
»Am besten geeignet wäre das Princess Elizabeth Hospital in Nairobi. Joseph schickt eine Anfrage per Funk an die MAF.« Dr. Hemden wandte sich an Carlton. »Das ist die Missionary Aviation Fellowship. Vielleicht können sie heute schon ein Flugzeug zur Verfügung stellen. Sie müssen es allerdings bezahlen. Ich nehme an, Sie sind einverstanden?«
»Ja, natürlich«, erwiderte Carlton. »Was immer Sie vorschlagen.«
Mara hörte die Ambivalenz in seinem Tonfall, und sie brauchte ihn nicht anzuschauen, um zu wissen, was er dachte. Wenn Lillian auf dem Flughafen in Nairobi ankäme – auf irgendeinem Flughafen dieser Welt –, würde sich rasch verbreiten, dass sie da war. Fotografen und Reporter würden sich einfinden. Und sie hätten sicher keine Probleme, die Ereignisse bis zum Kikuyu Hotel zurückzuverfolgen. Mara sah die Schlagzeile schon vor sich. Betrunkener Hollywood-Star bei Unfall verletzt . Die Leute würden es genießen, ihr übel zugerichtetes Gesicht zu betrachten … Mara stellte sich schützend vor sie. »Muss sie denn verlegt werden?«, fragte sie. »Können Sie sich nicht hier um sie kümmern?« Dr. Hemden hatte einen Ruf als äußerst erfahrener Chirurg und Allgemeinarzt.
Bevor er etwas erwidern konnte, sagte Carlton: »Ihre Sicherheit steht natürlich an erster Stelle. Aber ich bin sicher, sie würde lieber hierbleiben. Für sie ist es wichtig, dass ihre Privatsphäre gewahrt bleibt. Ich weiß nicht, ob es Ihnen klar ist, aber sie ist sehr bekannt. Berühmt sogar.«
»Ich weiß, wer sie ist«, erwiderte Dr. Hemden barsch. »Und deshalb möchte ich sie auch von hier wegbringen. Ich habe schon viele Patienten behandelt, deren Zustand wesentlich ernster war, aber mein Krankenhaus ist kein Ort für einen Filmstar.« Er schwieg und blickte zum offenen Fenster. Man hörte ein Kind schreien; es war nicht der Protestschrei eines robusten
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