Roter Hibiskus: Roman (German Edition)
Kindes, das krank geworden war, sondern das klägliche Wimmern eines chronisch schwachen kleinen Geschöpfes. Mara folgte seinem Blick und sah Helen, die durch die Reihen der Wartenden vor der Klinik ging. Vermutlich erklärte sie ihnen, dass der Arzt von einem Notfall aufgehalten worden wäre. Wie immer wirkte Helen ruhig und effizient.
»Wer würde ihre Mahlzeiten kochen und ihre Wäsche waschen?«, fragte Dr. Hemden Mara
Carlton warf ihr einen verwirrten Blick zu.
»In Busch-Krankenhäusern gibt es keine Küche«, erklärte sie ihm. »Das machen die Verwandten der Patienten.« Sie wandte sich wieder an den Arzt. »Wenn ich Hilfe für sie arrangieren könnte, darf sie dann hierbleiben?«
Dr. Hemden schwieg einen Moment, als ob er mit sich ringen müsste. Dann nickte er. »Gut. Aber um es ganz deutlich zu sagen – mein Personal kann ihr keine Sonderbehandlung zuteil werden lassen.«
»Danke. Wir sind Ihnen sehr dankbar.« Mara überlegte bereits, wen aus dem Dorf sie hierherschicken könnte. Kefas Frau vielleicht? Sie stellte sich Edina auf dem Beifahrersitz des Landrovers vor, wie sie Lillians Ansammlung kleiner Essschälchen auf den Knien balancierte. Sie würde es für absurd halten. Und außerdem sprach sie viel zu wenig Englisch. Angespannt kaute Mara auf ihrer Unterlippe. Was für eine Alternative gab es? Aber dann blickte sie erneut aus dem Fenster. »Warten Sie einen Augenblick.«
Sie rannte aus dem Zimmer, aus dem Hauptgebäude hinaus und zu dem alten Feigenbaum, unter dem Helen stand.
Helen schaute sie überrascht an. »Sie waren so schnell hier! Joseph ist doch erst vor einer Stunde zu Ihnen gefahren.«
»Wir waren nicht mehr in der Lodge, wir haben bereits nach ihr gesucht«, sagte Mara. »Der Spurenleser hat uns hierhergeführt.«
Helen schüttelte den Kopf. »Das arme Ding. Ich war gerade da, als sie sie hereingetragen haben. Hoffentlich kommt das Flugzeug, um sie abzuholen. An einen solchen Ort ist sie wahrscheinlich nicht gewöhnt.« Sie blickte sich um, als wollte sie die Umgebung mit den Augen ihrer glamourösen Patientin wahrnehmen.
»Sie will hierbleiben«, erwiderte Mara entschieden. Zwar hatte Lillian diesen Wunsch nicht ausdrücklich geäußert, aber genau das würde sie wollen. Schließlich hing ihre zukünftige Karriere davon ab, dass der Unfall geheim gehalten wurde.
»Sind Sie sicher?«, fragte Helen. »Ich glaube nicht …«
»Hören Sie«, unterbrach Mara sie und legte die Hand auf Helens Schulter. »Wie viel Geld fehlt Ihnen noch für Ihre Flugtickets, damit Sie mit den Kindern nach England fliegen können?«
Verwundert schaute Helen Mara an. »Viel«, sagte sie schließlich. »Fünfhundert Pfund. Wir haben den Plan aufgegeben. Die Mädchen waren zwar enttäuscht, aber sie verstehen es. Es war sowieso ein albernes Unterfangen. So viel Geld bekommen wir nie zusammen.«
»Doch, es wird Ihnen gelingen«, sagte Mara. »Lillian braucht jemanden, der für sie kocht, ihre Wäsche wäscht und sie versorgt. Sie würde Sie gerne dafür bezahlen.«
Helen runzelte die Stirn. »Ich kann doch kein Geld dafür nehmen.«
»Doch, das können Sie«, erwiderte Mara fest. »Sie ist sehr, sehr reich. Glauben Sie mir, für Sie ist es wesentlich mehr wert als fünfhundert Pfund, wenn sie hierbleiben kann.«
Helen riss die Augen auf. »Sind Sie sicher?«
»Ja, ich bin sicher.«
»Aber ich glaube nicht, dass ich so viel Geld verlangen könnte«, sagte Helen zweifelnd.
Mara winkte ab. »Das brauchen Sie auch nicht – das mache ich für Sie. Glauben Sie denn, Sie haben Zeit dafür?«
Helens Augen glänzten vor Aufregung. »Ja. Ja, natürlich.« Mara lächelte. »Dann ist es also abgemacht.«
Als Mara wieder ins Krankenzimmer trat, war Lillian aufgewacht, und Dr. Hemden untersuchte ihr verletztes Knie.
»Möglicherweise haben Sie sich die Kniescheibe gebrochen«, sagte er gerade. »Aber das wissen wir erst, wenn die Schwellung zurückgeht.«
Mara war fasziniert von seiner sanften Art. Man merkte ihm weder die Missbilligung an, die er ihnen gegenüber zum Ausdruck gebracht hatte, noch die verständliche Ungeduld eines Mannes, auf den viel Arbeit wartete.
Leise trat sie ans Bett, um die Untersuchung nicht zu stören. Als sie sich neben Carlton stellte, wandte Lillian den Kopf und blickte sie aus ihrem unverletzten Auge an. Tränen strömten über ihre Wangen.
»Es tut mir so leid. Es tut mir so leid«, sagte sie unbeholfen durch ihre geschwollenen Lippen. »Ich habe alles ruiniert.«
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