Roter Lampion
etwas zu entspannen. Außerdem möchte ich noch einmal alles in Ruhe überdenken. Erinnern Sie mich morgen daran, daß ich Ihnen zwei Blankoschecks mitgebe. Einen für die Bezahlung des Flugzeuges und einen für den Fall, daß es zum Kauf der Aktien kommen sollte, was sich jetzt freilich noch nicht übersehen läßt. Ich möchte aber, daß Sie gegebenenfalls sofort handeln können.«
Mit zwei Blankoschecks in der Tasche und Unzufriedenheit im Herzen flog Gordon Cooper am Nachmittag des nächsten Tages nach Singapore. Die Freude über den Ankauf des Jet Commanders, dessen Preis die Bank doch noch um einen ansehnlichen Betrag reduziert hatte, war dem bedrückenden Gefühl gewichen, in eine Aktion eingespannt zu sein, deren Ende nur der finanzielle Ruin Patrice MacDonalds sein konnte. Spiritus rector des Unternehmens war freilich Lee Akira gewesen; im Gegensatz zu Ivo Sorokin, den ausschließlich Gewinnsucht leitete, waren seine Motive in gewisser Hinsicht jedoch verständlich. Er wünschte den Mann zu rächen, den Patrice MacDonald dem britischen Secret Service in die Hände gespielt hatte. Motive aber geben kein Recht, und Gordon Cooper, der Mitglied einer zum Schutz des Staates geschaffenen Organisation war, konnte es weder vor seinem Gewissen noch vor seiner Aufsichtsbehörde verantworten, sich in eine anrüchige Sache einspannen zu lassen. Doch es kam anders, als er es befürchtete.
Er schritt kaum an den gleich priesterlichen Wedeln zugeschnittenen Palmen vorbei, die den Eingang des weltberühmten Raffles Hotels säumen, als ihm Patrice MacDonald buchstäblich in die Arme lief. Sie kam offensichtlich vom Friseur, denn ihr leicht silbergrau getöntes Haar zierte ihren Kopf wie ein duftiges Gespinst und gab ihr eine herb-aparte Note, die ein bis zum Hals geschlossenes Sportkleid aus malvefarbenem Jersey noch unterstrich.
»Hallo, Gordon!« rief sie überrascht und umarmte ihn. »Wie schön, daß du bereits da bist. Ich wollte gerade flüchten. Die Halle ist voll Touristen. Alles Landsleute. Schrecklich, sage ich dir.«
»Und du siehst blendend aus«, erwiderte er galant.
Sie lächelte wehmütig. »Es soll ja auch eine Schönheit des Sterbens geben.«
Den Bruchteil einer Sekunde stutzte Cooper, dann hakte er sich burschikos bei Patrice MacDonald ein. »So etwas Dummes habe ich noch nicht gehört. Das müssen wir hinunterspülen. Ein Whisky gefällig?«
»Nur zu gerne«, antwortete sie, und ihre blauen Augen leuchteten plötzlich wieder wie in zurückliegenden Tagen. »Es ist so scheußlich, alleine trinken zu müssen.«
Mitleid mit Patrice MacDonald und Bewunderung für ihr gutes Aussehen veranlaßten Cooper, seine Landsmännin auf dem Weg zur Bar an sich heranzuziehen. »Wollen wir uns einen netten Abend machen?«
Sie küßte seine Wange. »Das fragst du noch? Bei mir ist sowieso bald alles zu Ende.«
»Rede keinen Unsinn!« widersprach er ungehalten. »Du kommst ja erst in das beste Alter.«
»Nein, Gordon«, erwiderte sie und blieb stehen. »Es ist aus! Ich besitze nichts mehr. Arm wie eine Kirchenmaus bin ich. Kein Hund frißt mehr aus meiner Hand.«
»Die für andere Dinge auch viel geeigneter ist«, entgegnete er hintergründig. »Aber jetzt trinken wir unseren Whisky, und dann erzählst du mir, was los ist.«
»Das ist mit wenigen Worten getan«, erwiderte sie, wobei sie zielstrebig auf die Bar zuging. »Die ›Albion-Tin-Works‹ sind nach Auffassung der Bank zugrunde gewirtschaftet. Beweis: Lee Akira arbeitet erstmalig mit Wechseln und…«
»Wer sagt das?« unterbrach Gordon Cooper sie überrascht.
»Bankdirektor Aidah Rahman. Er hat mir die Papiere vorgelegt, als ich ihm nicht glauben wollte.«
»Und warum wolltest du ihm nicht glauben?«
»Weil ich Lee Akira nicht über den Weg traue. Er will sich an mir rächen, ich spüre das.«
Gordon Cooper führte Patrice MacDonald an der Bar vorbei. »Bankdirektor Aidah Rahman ist aber offensichtlich anderer Ansicht als du, oder?«
»Ja. Er sagt, er hätte das Desaster bereits kommen sehen, als Lee Akira ihn vor Wochen um die Einräumung eines riesigen Kredites ersucht habe, den er ihm jedoch nicht gewähren konnte. Dann seien die Wechsel aufgetaucht. Er hat daraufhin sofort mit Lee Akira telefoniert, der ihm ehrenwörtlich versicherte, es bestehe kein Grund zur Sorge, und er würde die Wechsel pünktlich einlösen. Gestern nun wurde an der Börse plötzlich ein Paket Aktien der ›Albion-Tin-Works‹ angeboten. Aidah Rahman war außer
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