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Roter Lampion

Roter Lampion

Titel: Roter Lampion Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C. C. Bergius
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konnte.
    Man sollte eigentlich niemals fliegen, dachte Ivo Sorokin, als er das Wasser in das Schwimmbecken plätschern sah. Flugreisen verändern die Beziehung zwischen Raum und Zeit so sehr, daß sie eine Persönlichkeitsspaltung herausfordern. Wie geruhsam ist es doch auf einem Schiff.
    Völlig andere Gedanken bewegten Margit Holstein, die den verträumt am Schwimmbecken sitzenden Hongkonger Kaufmann heimlich beobachtete. Unerklärbares hatte sie mit einem Male davon überzeugt, daß Gefühle eines Menschen von einfachen Ideenverbindungen auf eine Weise beherrscht und beeinflußt werden können, gegen die mit Logik nichts auszurichten ist.
    Gordon Cooper hingegen, der in seinem Liegestuhl lag und sah, wie Margit Holstein nachdenklich zu Ivo Sorokin hinüberblickte, wurde plötzlich eifersüchtig. Ich muß mich beeilen, sagte er sich. Sonst laufe ich Gefahr, mein Verlangen im Auflodern einer anderen Flamme verglühen zu sehen.
    Ein Steward riß ihn mit der Meldung, er werde am Telefon verlangt, aus seinen Gedanken.
    »Wer mag mich sprechen wollen?« fragte er an Margit Holstein gewandt und erhob sich, um die auf dem Kommandodeck gelegene Funkkabine aufzusuchen. Er wußte natürlich, daß nur ein Kollege vom Secret Service am Apparat sein konnte.
    In der Funkstation übergab ihm der diensttuende Nachrichtenoffizier den Telefonhörer mit dem Hinweis: »Sie werden aus Rotterdam verlangt. Drücken Sie beim Sprechen auf die Taste.«
    Cooper tat wie ihm geheißen und rief seinen Namen.
    »Ach, Gordon, wie schön, daß du da bist«, antwortete eine Frauenstimme.
    Cooper war nicht überrascht, da ihn verabredungsgemäß von Rotterdam nur ›seine Schwester Alice‹ anrufen konnte.
    »Ich mußte dich unbedingt sprechen«, fuhr die Stimme in einem wehleidig anmutenden Tonfall fort. »Du weißt, heute ist der Siebenundzwangzigste, mein Geburtstag. Und ich liege mit vierzig Grad Fieber im Bett!«
    »Um Gottes willen, was fehlt dir denn?« fragte Cooper besorgt und addierte im Geist die gehörten Zahlen zusammen. Man machte ihn auf den Passagier aufmerksam, dem er die Nummer 67 gegeben hatte.
    »Der Arzt meint, es sei eine schwere Grippe. Er hat mir DST verordnet.«
    »Wie heißt das Mittel?« erkundigte sich Cooper, um einen Hörfehler auszuschließen.
    »DST! Du kennst es doch.«
    »Ja, natürlich«, erwiderte er, obwohl er die Buchstaben nicht zu deuten wußte. »Es wird dir bestimmt helfen.«
    »Da bin ich noch nicht so sicher«, widersprach die Frauenstimme. »Auf jeden Fall bin ich froh, dich zu hören. Nach Genua habe ich dir geschrieben.«
    Eine Weile noch unterhielten sie sich über belanglose Dinge, dann verabschiedete sich Cooper mit den besten Genesungswünschen.
    Als er die Nachrichtenzentrale verließ, fragte er sich nervös: Was mag DST heißen? Er wollte sogleich seine Kabine aufsuchen, änderte jedoch sein Vorhaben, weil er es für unverfänglicher hielt, zunächst zum Lidodeck zurückzukehren. Es bestand immerhin die Möglichkeit, daß Ivo Sorokin den Steward bemerkt hatte, der ihn zum Telefon rief.
    Tatsächlich war dies der Fall, und aufgrund des am Tage zuvor mit Cooper geführten Gespräches fragte sich Sorokin, wer seinen Tischpartner wohl zu sprechen wünschte. Die Frau, mit der er verbotene Früchte…?
    »Haben Sie eine gute oder schlechte Nachricht erhalten?« erkundigte sich Margit Holstein, als er zurückkehrte. Auf sie wirkten Telegramme und Ferngespräche wie Dämonen auf gläubige Buddhisten.
    »Weder noch«, antwortete er lachend und ließ sich in seinen Liegestuhl fallen. »Meine Schwester hat heute Geburtstag und fühlt sich allein. Da griff sie in ihren Sparstrumpf und rief mich an.«
    »Was eigentlich Ihre Aufgabe gewesen wäre.«
    »Wo denken Sie hin«, widersprach Gordon Cooper und fabulierte munter drauflos. »Sie würde sich dann jetzt betroffen fühlen. Meine Schwester ist nur glücklich, wenn sie mich bemuttern kann, was sie praktisch seit meiner Kindheit tut. Wir verloren unsere Mutter sehr früh.«
    Margit Holstein fühlte eine warme Welle in sich aufsteigen. Wie schrecklich mußte es sein, seine Mutter im Kindesalter zu verlieren.
    Ohne es zu ahnen, pflanzte Cooper mit einer erfundenen Geschichte ein tiefes Mitgefühl in Margit Holstein ein. Für sie wölbte sich das Blau des Himmels plötzlich zur Kuppel eines riesigen Domes, und sie wünschte sich, mit Cooper irgendwo in Ostasien zu sein. Vielleicht in Angkor, im silbernen Licht einer versunkenen Stadt, die auch der Gegenwart noch

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