Roter Lampion
Whisky? Sie haben doch noch nie etwas Hartes bestellt.«
Lim Swee Long hatte sich wieder gefangen und lachte wiehernd. »Ich bin eben sehr genügsam. Aber heute wünsche ich einen Whisky.«
Der Barkeeper entsprach dieser Bitte. Mit dem Erfolg, daß der Chinese kurz darauf von Hustenanfällen geschüttelt die Bar verließ.
Warum hat er heute Whisky getrunken, fragte sich Gordon Cooper, aber dann erschien Margit Holstein und lenkte seine Gedanken in eine andere Richtung.
Sie begrüßte Patrice MacDonald, die ein gewagtes Kleid aus rotem Moire trug, ungewöhnlich herzlich, und die schnell in Fluß kommende Unterhaltung ließ erkennen, daß die beiden Frauen, die so gar nicht zueinander zu passen schienen, gut miteinander auskamen. Die Gründe hierfür lagen in Margit Holsteins Aufgeschlossenheit und in Patrice MacDonalds Bestreben, einen Menschen an sich zu ziehen. Sie sehnte sich nach einer Freundschaft, für die sie bereit war, jeden Preis zu zahlen. Der Schatten der Vergangenheit war seit Jahren wie ein Gespenst hinter ihr hergelaufen und hatte jede Bekanntschaft nach kurzer Zeit zunichte gemacht. Seit ihrer Rückkehr nach England vor fünfzehn Jahren wurde sie von jedermann gemieden. Von jedem Klub und jeder Gesellschaft wurde sie ausgeschlossen, und ihr Vermögen, das es ihr auch ohne das ihr ausbezahlte Schandgeld gestattet haben würde, ein luxuriöses Leben zu führen, nützte ihr nichts. Auch ihre Schönheit vermochte nicht zu verhindern, daß sie überall wie eine Aussätzige behandelt wurde. In ihrer Verzweiflung hatte sie England verlassen und war nach Indien gegangen, wo sie den um fast fünfunddreißig Jahre älteren General MacDonald kennenlernte, den sie so becircte, daß er sie schon wenige Wochen später heiratete. Ihre Hoffnung aber, durch ihre Eheschließung wieder gesellschaftsfähig zu werden, ging nicht in Erfüllung. Wohl erwies man ihr die der Frau eines Gouverneurs gebührende Reverenz, doch das war auch alles und währte nur bis zum Tode ihres Mannes, dem sie vor knapp einem halben Jahr das letzte Geleit gegeben hatte. Seit dieser Zeit war sie die Ausgestoßene von ehedem, und sie reiste nun nach Malaysia, um im stillen einen Triumph auszukosten, von dem niemand wußte, daß sie ihn errungen hatte. Nach schweren Kämpfen war es ihr gelungen, General MacDonald zu bewegen, fünfundvierzig Prozent der Aktien jener Zinnmine zu erwerben, die ihr Vater gegründet und ihre Mutter nach seinem Tode dem Chinesen Lee Kon-kim verkauft hatte, dessen Geliebte sie, Patrice Lawrence, später geworden war. Gewiß, sie hatte es nicht geschafft, die Herrin der ›Albion-Tin-Works‹ zu werden, wie es in jüngeren Jahren ihr Traum gewesen war, aber sie hatte nun das fünfundvierzigste Lebensjahr erreicht und war nicht mehr von dem krankhaften Ehrgeiz besessen, der ihre Sinne einst getrübt hatte.
Die rasch in Schwung gekommene Unterhaltung zwischen Patrice MacDonald und Margit Holstein wurde durch das Erscheinen von Ivo Sorokin unterbrochen, der wie Gordon Cooper ein weißes Dinnerjackett trug. Er begrüßte die Damen ein wenig steif, unterließ es aber nicht, Patrice MacDonald mit in den Gesellschaftsraum zu bitten. Sie bat um Verständnis dafür, der Einladung nicht folgen zu können, da sie zu müde sei, und so begab sich der Waffenhändler mit Margit Holstein und Gordon Cooper in die Lounge, in der eine appetitanregende kalte Platte und eine Flasche Sekt bereitgestellt waren.
Ivo Sorokin, der zunächst etwas verklemmt wirkte, wurde bald gelöster und zeigte sich von einer so charmanten Seite, daß Cooper verblüfft war, als er den sonst stets zurückhaltenden und alles nüchtern betrachtenden Waffenhändler in den farbigsten Bildern über Kairos Kulturschätze reden hörte. Man spürte förmlich die Hitze des Tages, vernahm den seit Jahrtausenden am Sockel der Cheopspyramide mahlenden Sand, sah die Kuppeln und Minarette der Sultan-Hassan-, Tulan- und Azhar-Moschee und atmete die Kühle des erhabenen Tempels Muhamed Ali.
»Haben Sie auch die Zitadelle aufgesucht«, erkundigte sich Margit Holstein, die jedes Gebäude in Kairo zu kennen schien.
»Selbstverständlich«, antwortete Sorokin ohne zu lügen, da er die Zitadelle vor Jahren einmal besichtigt hatte. »Aber nun müssen Sie mir von Ihrer Fahrt durch den Suezkanal berichten«, fügte er bittend hinzu, da ihm die von Cooper aufgezwungene Rolle zuwider war. »Haben Sie einen Sandsturm erlebt?«
Margit Holstein nickte lebhaft und schilderte den
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