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Roter Lampion

Roter Lampion

Titel: Roter Lampion Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C. C. Bergius
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schreiben, dem er bisher nur eine über die Britische Botschaft in Kuala Lumpur geleitete kurze Information über Sorokins Unfall und die sich daraus ergebende Umdisponierung hatte zukommen lassen. Die Stadt lag jedoch noch nicht ganz hinter ihm, als er fand, daß es nicht schlecht wäre, die triste Tätigkeit des Briefschreibens durch ein unterhaltsames Stündchen mit Su-su einzuleiten. Er bat deshalb den ständig Betel kauenden Inder, bei der nächsten Telefonzelle zu halten, und bereits wenige Minuten später wählte er die Flughafenleitung Kai Tak, verlangte Su-su zu sprechen und verabredete mit ihr, sie um sechs Uhr am Blake Pier zu treffen.
    »Zurück, marsch, marsch!« kommandierte er Rajan, als er wieder in den Wagen einstieg. »Wir fahren unten herum nach Hause und nehmen das junge Fräulein von gestern bis zur Repulse Bay mit.«
    »Velly well«, erwiderte der Inder, der kein ›r‹ aussprechen konnte.
    Diese sprachliche Eigenart erinnerte Cooper an das vielfach gehörte »Macht nichts«, und er fragte den Fahrer nach der Bedeutung dieser Redensart.
    »Das kann ich Ihnen nicht sagen«, antwortete der Inder. »Vielleicht hat sie sich daraus ergeben, daß man in der chinesischen Sprache hinter einer Frage gleich auch die Verneinung anbringt. Wenn ich mich erkundigen will, ob es Ihnen gutgeht, dann frage ich: Hau bu hau? – Gut, nicht gut?«
    »Merkwürdig«, erwiderte Gordon Cooper und erkundigte sich, was ›Macht nichts‹ auf chinesisch heißt.
    »Gan tsiu!« sagte Rajan und lachte still vor sich hin, als er hörte, daß sein Fahrgast die Worte immer wieder vor sich hin sprach.
    Als Gordon Cooper eine halbe Stunde später mit Su-su zusammentraf, war er aufs neue überrascht von ihrer zarten Schönheit. Ihr Köpfchen und ihr schlanker Hals erinnerten ihn an eine noch geschlossene langstielige Rose, und mit Begeisterung stellte er fest, daß sie – eine Seltenheit bei Chinesinnen – geradegewachsene Beine hatte und nicht die in Ostasien vielfach zu beobachtende Torheit besaß, mit ihren winzigen Füßen in möglichst spitzen und hochhackigen europäischen Schuhen umherzustelzen. Sie trug einen blauen Rock und eine straff sitzende weiße Bluse, die ihre kleinen Brüste appetitlich zur Schau stellte.
    »Ich finde es sehr nett, daß Sie mich angerufen haben«, sagte sie zu Cooper, als er sie begrüßte. Dann aber errötete sie, da er ihr eine Orchidee überreichte, die er sich schnell noch von Rajan hatte besorgen lassen. Ihr Mund formte sich zu einem Kreis, und Cooper hörte schon ein überraschtes »Oh…!« über ihre mattgeschminkten Lippen dringen, doch dann kam nichts. Sie stand da wie ein Engel, der zur Kantate anhebt, aber vor der Pracht, die sich ihm bietet, die Stimme verliert.
    Cooper hätte sie auf der Stelle umarmen mögen. Nicht wie eine Frau, eher wie… Ja, wie eigentlich? Wie ein Kind? Wie eine Schwester? Nein, so auch nicht.
    Die Verwirrung war auf beiden Seiten, und Gordon Cooper wie Su-su waren froh, als sie im Wagen saßen und in Richtung Aberdeen davonfuhren.
    »Unsere gestrige Verstimmung hat mir sehr leid getan«, sagte sie ihm nach einer Weile und fügte gedämpft hinzu: »Ich habe nicht mehr damit gerechnet, Sie wiederzusehen.«
    »Und nun müssen Sie sogar mit mir zu Abend essen«, antwortete er lachend.
    Sie strich über ihren Rock. »So, wie ich bin?«
    »So, wie Sie sind. Gan tsiu.«
    Ihr Kopf flog herum. »Gan tsiu? Wer hat Ihnen das beigebracht?«
    Cooper wies nach vorne. »Rajan. Macht nichts.«
    Sie lachte. »Dann sollen Sie auch von mir etwas lernen, womit Sie andere verblüffen können. Sagen Sie morgen mittag, wenn Sie zu Tisch gehen wollen: Jam Tschah! Das heißt: Laßt uns Tee trinken, bedeutet aber: Essen wir zu Mittag!«
    »Jam Tschah!« wiederholte Cooper und schmunzelte. »Woher kommt die zweifache Bedeutung?«
    »Die kantonesischen Gaststätten sind aus Teehäusern entstanden, in denen sich früher Geschäftsleute, Studenten und Künstler zur Mittagszeit trafen, um zu debattieren und kleine Happen zu sich zu nehmen. Beispielsweise die heute in allen chinesischen Restaurants angebotenen ›Frühlingsrollen‹. Dabei wurde sehr viel Tee getrunken, und so sagt man noch heute: Jam Tschah!«
    »Und was heißt: Prost!«
    »Kan beh! Aber dann müssen Sie Ihr Glas ganz leeren, denn wörtlich übersetzt bedeutet es: ›Trockne das Weinglas aus!‹«
    »Nun weiß ich genug«, erklärte Cooper, wobei er zu Su-su hinüberblinzelte. »Außerdem habe ich ja Sie!«
    Das Blut

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