Roter Lampion
Name weder zuvor noch hinterher gefallen war, nur antworten können: Wer ist Mister Lo Sung?
Für Gordon Cooper gab es keinen Zweifel mehr: Su-su war eine Agentin Lo Sungs, und beide hatten ihm ein meisterhaftes Theater vorgespielt. Doch so enttäuschend dieses Wissen auch war, Cooper erkannte die unerhörte Chance, die sich ihm nun bot. Wenn er seine Rolle weiterspielte, hielt er die Fäden in der Hand, da Lo Sung und Su-su nicht ahnen konnten, daß sie durchschaut waren. Das Blatt hatte sich gewendet. Aus dem zu Beobachtenden war ein Beobachter geworden, und was die in seinem Hirn immer wieder herumtanzenden ›Liebesspiele‹ anbelangte, da brauchte er sich nun keine allzu großen Gedanken mehr zu machen. Warum sollte eine gegen ihn eingesetzte Agentin nicht seine Geliebte werden?
Spätestens an diesem Punkt seiner Überlegungen wußte Cooper, daß er sich belog. Su-su war für ihn eine aus einem Märchenbuch herausgeschlüpfte orientalische Prinzessin, an die er weiterhin glaubte, weil es ihm unmöglich war, ihr eine Hinterhältigkeit zuzutrauen. Es fiel ihm deshalb nicht schwer, auch künftighin den werbenden Mann zu spielen, wobei er allerdings zu berücksichtigen hatte, daß nicht nur er gezinkte Karten in den Händen hielt. Auch mußte er Lo Sung noch auf die Probe stellen, und das tat er gleich am nächsten Morgen, als er mit ihm in Ah Boons Vorzimmer zusammentraf.
»Sie Ausreißer!« begrüßte er ihn lebhaft und schüttelte ihm herzlich die Hand. »Hatten Sie schöne Tage in Kanton?«
»Hah, es ist gewesen sehr lustig«, erwiderte Lo Sung mit schleimigem Lächeln. »Und wie ist es ergangen Ihnen? Schon eingelebt etwas?«
Gordon Cooper nickte. »Dank Su-su mehr als das. Wir haben uns täglich getroffen.«
»Ist der Freund nicht wieder aufgetaucht?«
»Ich glaube, mit dem ist Schluß, und ich rücke an seinen Platz«, antwortete Cooper und lachte schallend.
Lo Sung fiel in das Lachen ein, das Cooper provoziert hatte, um weitere Überlegungen des Chinesen zu verhindern.
Tatsächlich bemerkte Lo Sung nicht, daß er in eine Falle gestolpert war, denn Su-su hatte ihren Namen in Aberdeen erst genannt, nachdem ihr Landsmann gegangen war.
An diesem Abend fiel es Gordon Cooper schwer, sich mit Su-su zu treffen. Er beging jedoch nicht den Fehler, sich seine Enttäuschung anmerken zu lassen. Im Gegenteil, er versuchte, sich von seiner charmantesten Seite zu zeigen, und sie war so reizend, daß er sich immer wieder ins Gedächtnis rufen mußte, was er festgestellt hatte. Ihre mädchenhafte Frische betörte ihn, und wenn sie erzählte und ihn dabei mit kindlich strahlenden Augen anschaute, dann erschien es ihm unwahrscheinlich, daß sie ihn belogen hatte. Aber darüber konnte kein Zweifel mehr bestehen, und Cooper schob deshalb den für London zu erstellenden Bericht nicht länger vor sich her. In aller Sachlichkeit meldete er Harrison seine Beobachtungen, um abschließend zu folgendem Resümee zu kommen:
›Fest steht, daß Ivo Sorokin seine Bekanntschaft mit führenden chinesischen Politikern verschweigt. Erwiesen ist, daß Lo Sung und Su-su ein raffiniertes Spiel aufgezogen haben, dessen Sinn nur meine Überwachung sein kann. Unbestreitbar ist, daß Ah Boon mir wissentlich die Unwahrheit sagte, als er behauptete, man könne jederzeit nach China reisen. Tatsache ist, daß sich ein drahtlos arbeitendes Geheimmikrophon in Sorokins Arbeitsraum befindet, wobei nur die Frage offenbleibt, ob das Mikrophon gegen Ivo Sorokin oder mich eingesetzt wurde.
Wie die Dinge liegen, kann nicht mehr daran gezweifelt werden, daß im Bereich der ›British Chinese Ex- and Import Company‹ einiges faul ist. Das beweisen auch die Mordanschläge, für die ich den Chinesen Lim Swee Long verantwortlich mache, der mir durch Sorokins Unfall leider entkommen ist. Die hiesige Außenstelle des Secret Service sollte unbedingt versuchen, ihn aufzuspüren.
Wichtiger aber ist es im Augenblick für mich, herauszufinden, wer die Abhöranlage bedient. Meines Erachtens muß es einer der Dienstboten sein. Ich frage mich leider nur vergeblich, unter welchem Vorwand die hiesige Polizei eine Durchsuchung des Anwesens vornehmen könnte, ohne erkennen zu lassen, worum es geht. Mit dem hiesigen Secret Service möchte ich mich nicht ins Benehmen setzen, nachdem meine Beschattung als gegeben angesehen werden muß und mit wahrhaft asiatischer Schläue in die Wege geleitet wurde. Vielleicht denken Sie, Sir George, einmal mit meinen Kollegen darüber
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