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Roter Lampion

Roter Lampion

Titel: Roter Lampion Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C. C. Bergius
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wahrscheinlich schon wegen der ihr zugeteilten Aufgabe nicht verweigern würde. Er brachte es jedoch nicht fertig, sie wie eine jener Frauen zu nehmen, bei denen man sich keine Gedanken macht. Sie war für ihn das einer zarten Blume gleichende Geschöpf, in das er sich schon am ersten Tag verliebt hatte, und wenn er sich gewissenhaft prüfte, kam er zu dem Ergebnis, daß er allen Vernunftgründen zum Trotz noch nicht ganz von ihrer gegen ihn gerichteten Tätigkeit überzeugt war. Wenn sie ihn anschaute, gewahrte er in ihren Augen eine Zuneigung, die nicht gespielt sein konnte, und wenn ihn der Widerspruch seiner Gedanken und Empfindungen einsilbig werden ließ, dann wurde sie ratlos und glich einem im Regen sitzenden Vogel, der traurig vor sich hin blickt.
    Hatte Su-su Spätdienst, so benutzte sie zur Fahrt von Kowloon nach Victoria eine Barkasse, die am Blake Pier anlegte, in dessen Nähe der Inder mit dem Wagen parken konnte. Cooper selbst stand regelmäßig am Ende des Anlegesteges und winkte ihr mit ein paar Blumen oder einem Päckchen entgegen, das eine Überraschung für sie enthielt. Einen Schal, ein Seidentuch, ein Buch oder eine Bonbonniere.
    »Sie sind ein Verschwender«, sagte sie ihm, als er ihr an diesem Abend eine flache Schachtel überreichte. »Mir ist es peinlich, so verwöhnt zu werden.«
    »Das höre ich gerne«, entgegnete er gelassen und führte sie zum Wagen. »Ich hoffe, Sie haben heute nicht wieder in der Kantine gegessen?«
    Ihre Augen funkelten wie schwarze Diamanten. »Ich werde mich hüten, einen Streit vom Zaun zu brechen.«
    Wenn ich doch in sie hineinschauen könnte, dachte er unzufrieden und erwiderte: »Dann bitte ich, ein gutes Restaurant vorzuschlagen.«
    Sie blickte unsicher zu ihm hoch. »Mir ist es überall recht.«
    »Vielleicht sollten wir einmal wieder nach Aberdeen fahren«, entgegnete Gordon Cooper und forderte Su-su auf, in den Wagen einzusteigen, neben dessen Tür Rajan wie immer in strammer Haltung stand.
    »Das würde ich Ihnen heute nicht empfehlen«, erlaubte sich der Inder zu bemerken und wies zum Government Pier hinüber. »Dort wird gerade das Signal sechs aufgezogen.«
    Su-su schaute in die gewiesene Richtung. »Wie schade! Und ich hatte mich so auf den Abend gefreut. Aber bei Warnung sechs fahren wir am besten gleich nach Hause. Dann dauert es nicht mehr lange, bis acht oder neun gegeben wird.«
    »Was sind das für Warnungen?« fragte Cooper, der nicht begriff, wovon die Rede war.
    »Taifun-Warnungen«, antwortete Su-su. »Wenn das Signal drei überschritten wird, ist damit zu rechnen, daß Hongkong in das unmittelbare Windfeld gerät.«
    »Was zweifellos nicht gerade angenehm sein dürfte«, entgegnete Cooper. »Aber deshalb gleich nach Hause fahren…? Wir müssen doch etwas essen.«
    Su-su schüttelte den Kopf. »Nicht im Lokal. Sie werden daheim bestimmt etwas bekommen, und ich verfüge immer über eine Kleinigkeit, die ich mir zubereiten kann. Bei Signal sechs ist es höchste Zeit, sich in seine Wohnung zu begeben. Bei Warnung neun müssen sogar Schutzräume aufgesucht werden. Das Radio meldet nun laufend die Position des Taifuns.«
    Gordon Cooper blickte ungläubig nach draußen. »Zu sehen ist aber nichts.«
    »Doch!« widersprach der Inder. »Ich verstehe zwar nicht viel davon, aber wenn Wolken aufkommen und die Luftfeuchtigkeit zunimmt, dann ist das ein untrügliches Zeichen. Ich möchte Ihnen deshalb ebenfalls empfehlen, kein Lokal mehr aufzusuchen.«
    »Die jetzt ohnehin geschlossen werden«, fügte Su-su hinzu und schaute Cooper aus samtweichen Augen an. »Sehen wir uns morgen?«
    Er nickte. »Sofern uns der Taifun bis dahin nicht vernichtet hat.«
    Cooper ahnte nicht, daß ihm tatsächlich schwere Stunden bevorstanden. Nicht jedoch, weil ein entfesselter Orkan ihn bedrohte, sondern weil sich Sorokins Dienstboten aus Angst vor dem stündlich stärker werdenden Taifun mit all ihren Familienangehörigen in den Herrschaftsräumen häuslich niederließen und bei jeder Bö, die das Haus erfaßte und die heruntergelassenen Metalljalousien ohrenbetäubend rasseln ließ, ein wehleidiges Geschrei anstimmten. In ihrer kindlichen Angst stülpten sie sich sogar Kochtöpfe über, die ihr hysterisches Gekreische bis zur Unerträglichkeit verstärkten.
    Zunächst hatte Cooper alle davonjagen wollen, dann aber hatte ihm der Inder bedeutet, daß es ein ungeschriebenes chinesisches Gesetz sei, dem Hauspersonal in Stunden der Gefahr die für am stabilsten gehaltenen

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