Roter Lampion
zuviel ablenken lassen; zunächst von Margit, dann von Su-su? Er glaubte es nicht, war vielmehr der Meinung, daß er ohne seinen Flirt mit der intelligenten deutschen Ethnologin nicht jenen Kontakt zu Ivo Sorokin gefunden haben würde, der ihm dessen Vertrauen eingebracht hatte. Und ohne den reizenden chinesischen Schmetterling hätte er niemals erfahren, daß Lo Sung ihn beschatten ließ. Ihm fehlte lediglich jemand, mit dem er alle Möglichkeiten besprechen konnte, und er nahm sich vor, seine Probleme in den nächsten Tagen mit Bill Hawker ausgiebig durchzudiskutieren. Wo aber konnte er mit dem Kameraden zusammen sein, ohne belauscht zu werden? In der Wohnung war der Abhörapparat. Im Wagen begleitete sie der Inder Rajan. In Lokalen waren immer Menschen in der Nähe. Nach der Erfahrung, die er mit Lo Sungs Fähigkeiten im Arrangieren von Zufälligkeiten gemacht hatte, durfte er niemandem trauen. In jedem vor und hinter ihm gehenden Menschen mußte er einen Lauscher vermuten. Nur einen Platz gab es, der ihm sicher zu sein schien: der voll überblickbare hintere Teil des Gartens.
Die schrille Glocke des Telefons riß Cooper aus seinen Gedanken und ließ ihn in den Arbeitsraum eilen, dessen Abhöranlage, wie er vermutete, nun eingeschaltet wurde.
»Hier kommt Ihr Gespräch nach Kuala Lumpur«, meldete ihm eine Telefonistin.
Gordon Cooper rief seinen Namen in die Sprechmuschel. »Das ist aber eine Überraschung«, antwortete ihm Ivo Sorokins sonore Stimme. »Wie geht es Ihnen? Haben Sie sich gut eingelebt?«
»Ausgezeichnet, Sir.«
»Ich habe Ihnen doch gesagt, daß Sie sich den ›Sir‹ schenken sollen«, fiel Sorokin unwillig ein. »Im übrigen ist es seltsam, daß Sie mich gerade jetzt anrufen. Eben noch habe ich mit Miß Holstein über Sie gesprochen. Ich brauche Sie dringend, Gordon, und ich möchte Sie bitten, so bald wie möglich hierherzukommen.«
»Das höre ich nicht ungern«, entgegnete Cooper geschmeichelt. »Im Augenblick würde es mir jedoch schwerfallen, Hongkong zu verlassen, da ich Ihnen nicht unter die Augen treten möchte, ohne zuvor sämtliche Akten durchgeackert zu haben, so daß ich mich über alle Vorgänge mit Ihnen unterhalten kann.«
»Und was nützt mir das?« entgegnete Sorokin unbeherrscht. »Denken Sie lieber an mich! Ich liege hier und starre von morgens bis abends die Decke an…«
»Stimmt nicht!« rief Margit Holstein energisch dazwischen. »Wenn ich bei Mister Sorokin bin, und ich leiste ihm mindestens drei Stunden am Tage Gesellschaft, dann schaut er nicht ein einziges Mal zur Decke hoch!«
»Hoppla, Margit, du bist aber ganz schön keß geworden«, erwiderte Cooper lachend.
»Das ist wahrscheinlich die Folge meines permanenten Bemühens, einen störrischen Mann zur Vernunft zu bringen«, antwortete sie ungeniert, fügte aber sogleich hinzu: »Doch Scherz beiseite, Gordon. Du mußt baldmöglichst kommen. Mister Sorokin ist verzweifelt darüber, untätig im Bett liegen zu müssen und nicht dieses und jenes veranlassen zu können. Ich habe schon vorgeschlagen, eine Sekretärin zu engagieren…«
»Das kommt überhaupt nicht in Frage!« rief Ivo Sorokin ärgerlich dazwischen und nahm den Hörer wieder an sich. »Ich lasse mir doch nicht in die Karten schauen! Außerdem genügen mir die täglichen Besuche von Mistreß MacDonald. Sie meint es ja gut, ist aber eine Nervensäge. Und eine Klette ist sie obendrein!«
Er ist nicht wiederzuerkennen, dachte Cooper betroffen und erkundigte sich, ob Mistreß MacDonald das Krankenzimmer nach wie vor in ein Blumenmeer verwandle.
»Damit bringt sie mich noch zur Raserei!« erboste sich Sorokin. »Zur Sache also. Wann werden Sie kommen? Mich macht es krank, daß nichts geschieht. Präsident Nasser hat seine Position ja soweit ganz gut gefestigt, seine neuen Leute aber haben, wie mir Mister Ah Boon gestern mitteilte, einen Zahlungsaufschub gefordert. Das ist völlig unmöglich. Ich weiß natürlich, was dahintersteckt. Der Besuch von Podgorny und Sacharow! Rußland duldet keine Nebenlieferanten. Man braucht uns nicht mehr und denkt: Wozu jetzt zahlen? Ich habe Mister Ah Boon deshalb klare Anweisungen gegeben. Wie ein Esel lassen wir uns nicht abhalftern. Er verhandelt bereits mit seinen Freunden. Nach dem Sturz von Liu Tschao-tschi befürchte ich jedoch, daß er Schwierigkeiten bekommen wird.«
»Ich verstehe nicht, was Chinas bisheriger Staatspräsident damit zu tun hat«, entgegnete Cooper in der Hoffnung, mehr zu erfahren.
»Können
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