Roter Lampion
Sie sich das nicht denken?« fuhr ihn Sorokin kratzbürstig an. »Liu war mit dem Fettwanst Sung-Fei-tjing befreundet, der als einziger chinesischer Kapitalist großen Einfluß auf die ›Bank of China‹ hat. Hatte, werde ich nun wohl sagen müssen. Ich mache mir Sorgen und muß viele Dinge mit Ihnen besprechen. Sie wissen doch, daß ich bewegungsunfähig bin«, fügte er wehleidig hinzu. »Nichts, aber auch gar nichts hat sich bei mir geändert. Wenn ich gelähmt bleibe…«
»Das werden Sie nicht!« unterbrach ihn Gordon Cooper mit Nachdruck. »Professor Crabb erklärte mir vor meiner Abreise, daß es keinen Hinweis gibt, der eine solche Annahme rechtfertigt.«
»Ich weiß«, erwiderte Sorokin müde. »Professor Jamson, der als die bedeutendste Kapazität auf dem Gebiet der Laminektomie gilt und auf meine Bitte hin von London hierherkam, um mich zu untersuchen, ist der gleichen Auffassung wie Professor Crabb. Man gibt mir eine Chance, mehr aber nicht.«
»Dann glauben Sie an Ihre Chance«, entgegnete Cooper und dachte das gleiche, was Sorokin im nächsten Moment erwiderte.
»Das ist leichter gesagt als getan.«
»Gewiß. Und dennoch…«
»Wann werden Sie kommen?« unterbrach Sorokin ihn abrupt.
»Ich möchte annehmen, daß ich in vierzehn Tagen mein Pensum erledigt habe.«
»So lange kann ich nicht warten«, erregte sich Sorokin. »Ich will heraus aus dem Krankenhaus. Sie müssen mir hier ein geeignetes Haus suchen. Erforderliches Pflegepersonal wird Professor Crabb zur Verfügung stellen. Wenn ich nur die getünchten Wände nicht mehr sehen muß! Auch ist der Weg für Miß Holstein viel zu weit.«
»Well«, erwiderte Cooper. »Ich werde alles daransetzen, in spätestens einer Woche bei Ihnen zu sein.«
»Allerspätestens!« betonte Sorokin. »Und nun nennen Sie mir den Grund Ihres Anrufes.«
Für Cooper war es peinlich, nach dem von Sorgen und Zweifeln erfüllten Gespräch plötzlich vom Besuch eines Verwandten reden zu sollen. Seine Gesichtsnarbe wurde flammend rot. »Ich wollte mich nach Ihrem Befinden erkundigen und Sie bei der Gelegenheit fragen, ob ich den Bruder meines Schwagers, der morgen für zwei oder drei Tage nach Hongkong kommt, in Stanley unterbringen darf. Über Tag kann ich mich im Augenblick nicht um ihn kümmern«, fügte er in seiner Verlegenheit wie ein Schuljunge hinzu. »Ich bin dann wenigstens am Abend mit ihm zusammen.«
»Er kann selbstverständlich in meinem Haus wohnen«, antwortete Sorokin nach kurzer Pause. »Ich bitte aber darum, mich nicht nochmals wegen einer solchen Lappalie anzurufen. Guten Abend.« Damit legte er den Hörer auf.
Als Gordon Cooper am nächsten Tag zum Flughafen fuhr, um seinen Kollegen Bill Hawker abzuholen, saß ihm das Gespräch mit Ivo Sorokin noch in den Knochen. Immer wieder mußte er an ihn und an Margit Holstein denken, bis er sich beschwor, die Durchführung der ihm gestellten Aufgabe nicht durch Gefühlsduseleien zu gefährden. Nach Erreichen von Kai Tak begab er sich zur Ankunftstelle der Passagiere, wo er nicht lange zu warten brauchte, bis ein Lautsprecher die Landung der aus Bangkok kommenden Maschine meldete. Bald darauf erschien dann auch eine Kette von Menschen, die durch schmale und von Glaswänden begrenzte Wege zur Gesundheits-, Paß- und Gepäckkontrolle geschleust wurde.
»Hallo, Gordon!« rief ihm der strohblonde Bill Hawker schon von weitem zu und ließ seine Arme übermütig kreisen. »Schön, dich zu sehen, alter Junge!«
»Flegel!« gab Cooper drohend zurück. »In China begrüßt man ältere Verwandte mit Ehrfurcht und in Ehrerbietung!«
Beide lachten und übten sich in Geduld, bis es soweit war, daß sie sich die Hände schütteln konnten.
»Das war ja eine tolle Überraschung«, sagte Gordon Cooper, als er seinen ›Verwandten‹ umarmte, um ihm heimlich zuzuflüstern: »Auch im Freien vorsichtig sein!«
»Okay!« grunzte Hawker zurück und klopfte Cooper auf die Schulter. »Für mich war die Überraschung nicht minder groß. Es ist schon ein einmaliges Gefühl, im Lotto zu gewinnen.«
»Quatsch nicht so dumm«, zischte Cooper und drängte seinen Begleiter in einen wenig besuchten Teil der Empfangshalle hinein. »Die Zentrale scheint ja viel Geld übrig zu haben.«
»Wieso?«
»Deine Reise dürfte einiges kosten.«
»Angesichts der nicht mehr zu bändigenden Reiselust unserer Politiker können wir ja schließlich auch mal großzügig sein«, entgegnete Bill Hawker. »Unabhängig davon habe ich einen Auftrag in
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