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Roter Regen

Titel: Roter Regen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Moritz
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noch freihatte, um
der Lesung von Maria Bava zu lauschen.
    Er haderte lediglich mit seinen Halsschmerzen, die nicht besser
wurden.
    Er war gerade nach Bötzingen eingefahren, da hatten die Kollegen
über Polizeifunk gemeldet, dass ein Schuss in der Rathausgasse angezeigt worden
war. Die Streife und Belledin waren umgehend losgefahren und hatten die
ohnmächtige Margit samt Tatwaffe in ihrem Auto und den erschossenen Dr. Merz
auf seinem Schreibtisch in der Praxis gefunden. Es war ein Gefühl wie beim
Pilzesammeln gewesen. Man zog los, bereit, jedes einzelne Blatt umzudrehen,
blind im Waldboden zu stochern – und plötzlich stand man in einem Dschungel aus
Steinpilzen und verfiel der Gier des Jägers.
    Belledin war noch immer besoffen von seiner Beute. Er würde nun die
beiden Winzer nicht mehr verhören müssen, was ihn erleichterte. Bühler und
Jenne waren alte Bekannte, nette Kumpels, mit denen man gesellig einen
schmettern und heben konnte. Man kannte sich schon lange aus den örtlichen
Gesangsvereinen. Jenne war in Ihringen, Bühler in Bahlingen, und Belledin
selbst sang, wenn er bei Stimme war, den Bass für Merdingen. Wenn man sich von
der Geselligkeit her kannte, war es immer unangenehm, berufliche Fragen zu
stellen.
    Vor dem Flesh&Blood warteten bereits einige dunkle Gestalten,
die mit Dosenbier ihren Durst löschten und sich die noch verbleibende Zeit bis
zur Lesung mit einem Plausch vertrieben.
    Belledin ging an ihnen vorbei und betrat den Laden. Das Geschäft war
klein. Der Besitzer hatte alle Mühe, die Stühle so zu richten, dass ein
Audienz-Charakter entstand. Etwa zwanzig Klappstühle aus schwarz glänzendem
Plastik hatte er aufgestellt. Jetzt rückte er die fünf Reihen, die dadurch
entstanden waren, so, dass man hindurchgehen konnte. Als er Belledin in seinem
grauen Anzug aus dem Augenwinkel heraus entdeckte, unterbrach er das
Stuhlrücken und wandte sich ihm zu.
    »Hallo, ich hoffe Sie haben sich nicht verirrt, wir führen hier
keine Regio-Krimis. Haben Sie das Plakat an der Tür nicht gesehen?«, sagte er
freundlich, aber bestimmt.
    Belledin schätzte den Mann auf Ende vierzig, aber das war bei
solchen Typen schwer zu sagen. Ein grauer Stoppelkranz säumte seine Glatze,
unter den Augen hingen schwere Tränensäcke, und der schwarze Rollkragen gab
sich vergeblich Mühe, einen erschlafften Hals zu verbergen.
    »Lass nur, Bader, er ist mein Gast«, zirpte eine Sirenenstimme wie
aus dem Nichts.
    Bader und Belledin blickten verdutzt auf den Vamp, der apart
lächelte und dabei seine spitzen Eckzähne entblößte. Bader hatte wohl nicht
damit gerechnet, dass Maria Bava solche Spießer als Gäste haben konnte, und
Belledin war sich nicht sicher, ob er noch auf dem Planteten Erde weilte.
    Vor ihm stand eine Gestalt, wie er sie nur aus billigen
Erotik-Comics kannte: Das schwarze Haar war streng zurückgebunden und zu einem
kunstvollen Zopf geflochten, den Haaransatz zierte ein goldener Reif, in den
mystische Symbole gestanzt waren. Die Augen waren nachtschwarz geschminkt, das
Gesicht verschwand hinter weißem Puder, nur auf den Wangen thronten zwei
Rougekreise. Zwei Rubintropfen baumelten an Maria Bavas Ohren; ihre Lippen, die
Belledin schon während der Unterredung auf dem Revier zu Phantasien angeregt
hatten, glänzten hell in der Farbe arteriellen Blutes. Die Brüste Maria Bavas
strotzten stolz aus einem lackledernen Mieder, das in der Taille eng geschnürt
war; der kurze schwarze Rock wurde von einem breiten goldenen Gürtel geziert,
der das Pendant zum Stirnreif gab, und die zarten nackten Schenkel blitzten nur
bis kurz über den Knien hervor, ehe sie von hohen roten Wildlederstiefeln
eingefangen wurden.
    Belledin wartete gespannt, dass die Seite des Comics umgeblättert
wurde und er tiefer in das Abenteuer steigen durfte.
    »Wir haben doch sicherlich noch einen Stuhl für den Herrn Kommissar,
nicht wahr, Bader?« Maria Bava lächelte, dass ihre Eckzähne blitzten, und
Belledin glaubte ein gieriges Fauchen aus ihrer Kehle zu vernehmen.
    Bader zog ab, um eine Sitzgelegenheit für den Überraschungsgast zu
besorgen, während Belledin sich bemühte, wieder in die Realität zu gelangen.
    »Ich hätte Sie nicht wieder erkannt«, stotterte er und räusperte
sich. Der Schmerz, der dabei in den entzündeten Mandeln entstand, half ihm,
seine Sinne zu zügeln.
    »Wer kennt sich schon und all seine Facetten? Manchmal erkenne ich
mich selbst nicht einmal mehr. Sind Sie denn immer derselbe?«
    Bader kehrte mit

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