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Roter Regen

Titel: Roter Regen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Moritz
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niemand folgen kann. Und deshalb wäre eine neue Identität für mich
der Tod. Ich würde mich selbst verlieren und hätte gar niemanden mehr, der mich
verstünde. Wer gelernt hat, gegen sich selbst Schach zu spielen, der braucht
sich und dafür keinen anderen. Aber frei ist er dadurch leider auch nicht. Sind
Sie frei?«
    Killian musste sich vorsehen. Anna Popescu hatte den Charme einer
tief verletzten Raubtierseele. Killian kannte diese Geschöpfe, er hatte sie
unzählige Male vor der Linse gehabt. War nicht auch er ein Vampir? Sog er nicht
auch das Blut seiner Objekte? Stahl er nicht auch Lebenssaft mit jedem Mal, das
er seine Kamera auf ein verwundetes Wesen richtete? Und auch jetzt beobachtete
er Anna Popescu nur von der Kamera aus. Er saß zwei Zimmer weiter in Hartmanns
Büro und blickte auf den blassen Vampir, dem er von höherer Stelle aus einen
Handel vorgeschlagen hatte. Killian hoffte, dass Anna Popescu darauf eingehen
würde und sie sich nicht persönlich begegneten. Er mochte den persönlichen
Kontakt in dieser Art von Handel nicht. Über Monitor war es irreal. Anna
Popescu war eine Filmfigur, weit entrückt. Im Film konnte man Mördern einfach
einen Handel vorschlagen, im realen Leben wehrte sich Killians alte Prägung von
Schuld und Sühne. Anna Popescu gehörte vor ein Gericht. Und Lupescu auch. Wieso
sollte man nicht beide schnappen können?
    »Ich traue Ihnen nicht«, durchbrach Anna Popescu das Schweigen.
    »Das setze ich voraus«, lächelte Killian trocken.
    »Wenn Sie Lupescu haben, können Sie auch mich gleich mit hochnehmen.«
    »Richtig.«
    »Wieso sollte ich dann auf diesen Handel eingehen?«
    »Weil Sie keine andere Möglichkeit haben. Wir haben Sie auch so
schon.«
    »Geben Sie mir Ihr Wort?«
    »Was ist ein Wort wert? War Ihnen ein Wort je etwas wert?«
    Anna Popescu lächelte bitter. Der Typ im Monitor begann ihr zu
gefallen. Er war von anderem Kaliber als dieser fette Provinzbulle. Ihn konnte
man nicht einfach mit billigem Sex fangen, aber auch er hatte seinen wunden
Punkt. Anna sah es ihm an. Er war mit ihr verwandt, auch ein Einzelgänger, ein
Außenseiter. Seine Augen waren wach, bewegten sich ständig, als wollten sie
jeden Moment sicher sein, auch scharf zu sehen.
    »Sind Sie der Kriegsfotograf?«
    »Vielleicht.«
    Seine Augen wanderten für einen Moment nach unten links, kramten in
der Vergangenheit und verrieten sich. Anna hatte es gesehen, er musste es sein.
Aber mehr wusste sie nicht von ihrem Gegenüber. Spielte er Schach? Wenn ja,
wie?
    »Ich könnte einfach den Raum verlassen und gehen. Sie haben
niemanden unten, der mich zurückhalten könnte«, versuchte sie ihn aus der
Reserve zu locken.
    »Ich könnte vor der Tür sitzen und Sie dort einfach abknallen«,
sagte Killian.
    »Die Guten machen so etwas nicht.«
    »Wer sagt Ihnen, dass ich einer von den Guten bin?«
    »Wenn nicht, dann wäre ich schon tot.«
    »Es sei denn, Sie sind mir lebendig wertvoller.«
    Anna ging Möglichkeiten durch. Arbeitete er auf eigene Rechnung?
Oder für die Russen? Die Bulgaren? Lupescu hatte ihr zu wenig erzählt, ihr
fehlten wichtige Bausteine, um den Hebel ansetzen zu können.
    »Wenn Sie von den Guten sind, dann müsste auch der fette Kommissar
hier sein«, versuchte Anna zu hebeln.
    »Andere Liga«, entgegnete Killian trocken.
    So kam Anna nicht weiter. Der Fotograf mauerte, ließ sie die Züge
machen und hielt sich selbst bedeckt. Sie änderte die Strategie und fragte
direkt: »Wo sind die anderen Fotos?«
    Killian hielt sie hoch, eines nach dem anderen.
    »Und was steht hinten drauf?«
    »Zahlen.«
    »Was für Zahlen? Auch Konten?«
    Killian schüttelte den Kopf. »Gradzahlen, Winkel.«
    Anna atmete tief durch. Genau diesen Zahlen war sie hinterhergejagt.
Diese Zahlen waren mehr wert als alle Konten der Welt. Mit diesen Zahlen konnte
man die Welt neu sortieren. Diese Zahlen hatte sie von Hartmann gefordert, um
die Regenmaschine zu Ende bauen zu können.
    »Haben Sie Hartmann deswegen umgelegt?«, fragte der Fotograf.
    Anna zuckte mit den Schultern. »Ich habe ihn nicht umgelegt, aber er
war wohl zu gierig. Am Anfang dachte ich, es ginge ihm um die Sache, aber so
wie es ihm bei Frauen nur ums Vögeln ging, so ging es ihm beim Regenmachen nur
ums Geld. Er wollte die Zahlen nur gegen erhöhten Profit rausrücken. Und mit
Lupescu verhandelt niemand nach Vertragsabschluss.«
    »Wie steht es mit Ihnen? Können Sie mit Lupescu noch im Nachhinein
verhandeln? Sie haben Ihren Teil des Vertrages auch

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